Unterhaltungen und Belustigungen aus dem Kinderleben

Franz Magnus Böhme (in: Deutsches Kinderlied und Kinderspiel (1895), S. 415 ff)

Ohne feste Spielregel

Nie fehlt es dem Kinde an Lust zum Spiele, weil der Tätigkeitstrieb allzeit Beschäftigung verlangt und alle gesunden Kinder zur nächstliegenden Tätigkeit, zum Spiele treibt. Ebensowenig fehlt es dem Kinde an Stoff zu seiner Unterhaltung, auch das kleinste und unscheinbarste seiner Umgebung vermag seine Spiellust zu befriedigen. Und wie wenig braucht doch ein Kind um glücklich zu sein.

Einige Holzstäbchen, einige Steinchen, ein Sand- oder Erdhaufen etc. genügen ihm, um stundenlang daran sich zu vergnügen. Hätte es selbst diese Gegenstände nicht, nun so kann es hüpfen und springen, über Gräben setzen, durch den Zaun oder eine Mauerlücke kriechen, und ist dies nicht auch etwas? Jede Jahreszeit bietet ihm Unterhaltungsstoff in Fülle. Bald durch Herumtummeln im Freien, kann es für seine immer vorhandene Spiellust Befriedigung finden, am liebsten aber in Gesellschaft mit anderen Kindern wird es sich dort unterhalten. Viele Kinderspiele und Unterhaltungen hängen mit dem Jahreslauf zusammen und kehren mit den Jahreszeiten regelmäßig wieder; andere dagegen sind an keine bestimmte Jahreszeit gebunden.

Halten wir jetzt eine kleine Umschau über die ersten Unterhaltungen in der Spielstube und dann über die Kinderbelustigungen im Freien, die jährlich sich so erneuern, wie die Natur, an die sie eng sich anschließen – Man könnte diesen Zeitvertreib uneigentliche Spiele nennen, darum sie auch nicht in Spielbüchern verzeichnet stehen, aber Spiele bleiben´s immer, wenn auch eine Spielregel nicht zu beobachten, und ein „Spielgedanke“, von dem in Spielbüchern oft in recht erzwungener Sprache geredet wird, nicht zu finden ist. Man erwarte hier aber nicht eine weitläufige Beschreibung von den uns allen bekannten Belustigungen, ich werde an jedes Spiel historische Bemerkungen anschließen, um die Sache für Erwachsene interessanter zu machen und den Satz zu beweisen: das Kind in seinen angestammten Spielen war zu allen Zeiten dasselbe.

in: Deutsches Kinderlied und Kinderspiel (1895), S. 415 ff

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