Männergesangsvereine

Von den Liedertafeln zu den Vaterlandssängern

Wenn auch ein 1673 gegründeter Männerverein in Greiffenberg (Hinterpommern) und die 1620 gegründete »Singgesellschaft zum Antlitz« in St. Gallen als die Vorläufer unsrer heutigen Männergesangsvereine betrachtet werden können und in England schon im 18. Jahrh. Klubs (Catchclub, Gleeclub, Madrigal-Society) existieren, die ähnliche Tendenzen verfolgten, so ist doch der eigentliche Männergesang, wie er jetzt gepflegt wird, als ein Kind des 19. Jahrhunderts zu betrachten.

Die Gründung der ersten Liedertafel erfolgte 1809 durch Zelter in Berlin mit 24 Mitgliedern der Berliner Singakademie; dieselbe hatte einen sehr exklusiven Charakter, da nur Dichter, Berufssänger oder Komponisten aufgenommen wurden. Ihr vornehmstes Ziel war die Schaffung einer mehrstimmigen Literatur für Männerstimmen. Auch die in Nachbildung der Zelterschen Liedertafel entstehenden Liedertafeln in Leipzig (1815, Fr. Schneider), Frankfurt a. O., desgleichen die von L. Berger und B. Klein 1819 gegründete »Jüngere Berliner Liedertafel« waren noch weit entfernt von dem dilettantischen Wesen, das später sich im Männergesang breit machte, und rekrutierten sich nur aus Künstlerkreisen.

Erst allmählich, nachdem diese ersten Liedertafeln eine schnell sich vermehrende Literatur für Männergesang geschaffen hatten, trat die produktive Tendenz für neuerstehende Vereine dieser Art zurück, und dafür wurden frohe Geselligkeit, gemeinschaftliche Ausflüge und namentlich Pflege des patriotischen Sinns das Band, das immer größere Kreise zusammenschloß und zu einer gänzlichen Umgestaltung des Musikdilettantismus führte. Zu den ältesten Liedertafeln gehören die zu Magdeburg (Mühling), Weida, Dessau (Fr. Schneider), Hamburg (Methfessel), Danzig, Königsberg und der Leipziger Universitätsgesangverein zu St. Pauli (1824).

Nur ein Jahr später als Zelter (1810) begründete H. G. Nägeli in Zürich den ersten »Männerchor«, aber auf ganz andrer Grundlage als die Berliner Liedertafel. Während die ersten norddeutschen Liedertafeln nicht eigentlich Chorlieder, sondern Soloquartette schufen und eine künstlichere Setzweise aufwiesen, war der Schweizer Männergesang von Anfang an Chorgesang und zwar auf volksmäßiger Grundlage.

Daher entwickelte sich in der Schweiz schneller die Tendenz zum Zusammenschluß solcher Vereine zu Massenvorträgen. In Norddeutschland entstanden ähnliche Vereinigungen zu Verbänden erst in Nachahmung der Zusammenschlüsse von Musikvereinen zur Veranstaltung von Musikfesten, so 1830 die erste »Provinzialliedertafel« in Bernburg, 1831 die Feste der »Norddeutschen Liedertafeln«, 1833 die »Märkischen Gesangsfeste«, 1840 der »Niedersächsische Sängerbund« etc.

Die Bestrebungen Nägelis fanden wesentliche Förderung durch den Pfarrer Weishaupt, der 1824 den Appenzellischen Männerchor stiftete, dessen erstes Gesangsfest 4. Aug. 1825 in Speicher gefeiert wurde. Die Sängervereine am Züricher See vereinigten sich zu einem Bunde, der 1826 das erste Zürichsee-Sängerfest in Meilen abhielt. Nun entstanden schnell Vereine in Thurgau, St. Gallen, Bern, Basel, Aargau u. Von der Schweiz aus verbreitete sich das Interesse für den Männergesang nach Süddeutschland.

1824 entstand, angeregt durch Sekretär Stadelbauer und G. A. Zumsteeg, der Stuttgarter »Liederkranz«; es folgten die Liederkränze in Ulm (1825), Kirchheim, Göppingen, Schorndorf, Reutlingen, Eßlingen, Heilbronn etc. Diese Vereine vereinigten sich zu einem ersten deutschen Liederfest, das zu Pfingsten (4. Juni) 1827 in Plochingen abgehalten und alljährlich wiederholt wurde.

Wie in Schwaben, so zeigte sich auch in Baden Nägelis Einfluß auf die Entwickelung des Volksgesanges. Nägeli hielt 1819–25 in Karlsruhe und in mehreren rheinischen Städten Vorlesungen, infolgedessen 1824 die ersten Liedertafeln in Baden entstanden. 1844 fand das erste badische Sängerfest in Karlsruhe statt. Auch die rheinischen Städte rührten sich; im Februar 1828 wurde der Frankfurter Liederkranz gegründet, der bald eine hervorragende Stellung einnahm und sich später (1838) durch die Gründung der Mozart-Stiftung (s. d.) ein großes Verdienst erwarb.

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