Klaasohm (Borkum)
Wird es Dezember […] dann kommt ein Abend, der für die gesamte Jugend einer der allerschönsten im ganzen Jahre ist, nämlich der St. Niklasabend. An diesem Abende 5 Dezember gehen nämlich die Klaasohms durch die Hauptstraßen des Ortes unter großem Zulaufe des Volkes, namentlich des Jungvolks. Der Klaasohms gibt es drei: einen großen, einen kleinen und einen mittleren, von denen jeder immer einen zweiten noch als Frau bei sich hat.
Einige Zeit vor dem Aufzuge wird beraten und festgestellt, welche Personen Klaasohms sein sollen. Die Kostüme, welche sie anziehen, meist vom Vorjahre noch, werden einer genauen Prüfung unterzogen und je nach Befinden gutgeheißen oder geändert. Der Kopfputz erfordert immer viel Überlegung und Erfindung, um denselben so bizarr wie möglich zu machen. Ist nach öfterem Anprobieren die ganze Sache endgültig geordnet und festgestellt, dann wird mit Sehnsucht der Abend des 5 Dezembers herbeigewünscht. Über die Namen der Klaasohms und Klaasohmsfrauen aber darf nichts verlauten, damit man möglichst über sie in Ungewißheit bleibe und die Freude nicht gestört werde.
St. Niklas geht durchs Dorf
Endlich ist der ersehnte Abend herbeigekommen. Gleich nach Eintritt der Dunkelheit beginnt der große St. Niklas mit seinem Weibe von dem Hause aus, wo sie eingekleidet werden, seinen Rundgang durchs Dorf. Sehen wir uns ihn jetzt genauer an:
Er hat ein langes Gewand an von nicht mehr ganz tadelloser Weiße, hie und da sind an demselben Schnüre und Verzierungen angebracht. In seinem Gesichte zeigt sich eine Nase von ungeheurer Dicke und Länge und von Kinn und Wangen wollt ein mächtiger eisgrauer zotteliger Bart, auf seinem Haupte befindet sich die Kopfhaut eines Rindes, worauf man die Hörner hat stehen lassen, ein langer Säbel hängt ihm an der Seite und in seiner Rechten führt er als Szepter ein gewaltiges Horn, auf welchem er fortwährend tutet.
Etwas weniger schrecklich anzusehen, aber noch immer fürchterlich genug, ist Klaasohms Weib. Sie ist ähnlich kostümiert wie ihr Mann, hat aber keinen Bart, auch Säbel und Horn hat sie nicht, dafür aber einen großen Beutel an der Seite, in welchem „moppen“, auch alte Weiber genannt, sich befinden, nebst einer Tüte voll Weizenmehl.
Von ferne her kündigt sich das Kommen des Klaasohms an, durch einen harmonikaspielenden Begleiter, durch sein eigenes gewaltiges und schreckliches Tuten auf seinem langen Horn, und durch das jauchzende Rufen der Menge, welche vorgeht und nachfolgt. Kein Wunder also, dass sehr viele Kinder, sogar ältere beherzte Knaben, sich vor Klaasohm fürchten, obgleich sie ihn auch gerne in der Nähe zu sehen wünschen. Aus diesem Grunde lassen auch nur wenige Privatleute den selben in die Wohnstube eintreten, sondern meist nur die Wirte. Und da geht denn auch wohl ein Vater mit seinen Kindern hin um von einer versteckten und geschützten Ecke aus ihnen die viel besprochene Schreckgestalt zu zeigen. Entdeckt Klaasohm nun die Kinder, so fragt er durch sein Horn mit verstellter fürchterlich klingender Stimme, ob sie zu Hause und in der Schule fleißig und gehorsam sind. Nun müssen sie auf sagen. Da kommt es denn wohl vor dass ein Kind vor Angst nichts herausbringen kann, oder dass eins in seiner Angst anfängt: „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir…?“ Fällt nun das Aufsagen zur Zufriedenheit Klaasohms aus, dann teilt ihnen seine Frau von den mit gebrachten „alten Weibern“ aus.
Die anwesenden Leute legen nun den beiden Vermummten über Alter und Herkunft und dgl. mancherlei Fragen vor, auf welche die allerunwahrscheinlichsten Antworten erfolgen und die zur größten Heiterkeit Veranlassung geben . Schließlich bekommen Klaasohm und Frau von dem Wirte ein Glas Bier und ein kleines Geldgeschenk, auch die Zuschauer geben etwas, worauf sie tanzend und tutend und singend unter Harmonikaspiel hinausgehen, um in einem andern Hause das lustige Treiben zu wieder holen. Der tolle Lärm hat sich auf die Straße hinausgezogen, derselbe tönt ferner und ferner und verstummt endlich.
Das Gespräch dreht sich nun natürlich um das eben Erlebte und dann vor allen Dingen, wenn Frau Klaasohm etwa eine neugierige Dienstmagd oder einen arglosen Gast mit Mehl weiß gepudert hat. Man zieht Vergleiche zwischen einst und jetzt und so vernehmen wir denn, dass in früheren Jahren der Klaasohm ein viel schrecklicheres Aussehen gehabt hat als in unseren Tagen. Damals nämlich nähte man den St Niklas in eine Kuhhaut ein und band ihm an’s Bein eine eiserne Kette, welche bei jedem Schritte rasselte.
Unterschiedliche Klaasohms
Der Unterschied zwischen den verschiedenen Klaasohms besteht nur in deren Alter. Während die beiden großen gewöhnlich junge Männer von 20 Jahren und darüber sind, sind die beiden mittleren 18 bis 20 Jahre und die kleinen 15 bis 18 Jahre alt. Die Kostümierung ist bei allen fast gleich, sie suchen sich aber hinsichtlich der Seltsamkeit des Kopfputzes gegenseitig den Rang abzulaufen. Ihre Umzüge machen sie so, dass erst der große, dann der mittlere und zuletzt der kleine Klaasohm auszieht. Nachdem sie sämtlich ihre Umzüge ausgeführt, versammeln sie sich wieder in dem Wirtshause, von welchem aus sie ihre Prozessionen begonnen haben und wo nun ein fröhliches Gelage beginnt, dessen Kosten die empfangenen Geschenke zum Teil decken müssen.
Die St. Niklasumzüge sind jedenfalls eine sehr alte Sitte, während die Martinsfeier welche den Schulkindern so außerordentlich viel Freude macht, auf Borkum erst seit wenigen Jahren in Aufnahme gekommen ist. Etwas älter, aber jedoch auch noch ziemlich neu ist die schöne Sitte der Christbescherung unter dem Weihnachtsbaum, eine Sitte welche bei dem steigenden Wohlstande der Bevölkerung immer weiter sich verbreitet.
in: Die Nordseeinsel Borkum einst und jetzt, von B. Huismann , Hauptlehrer zu Borkum. Druck und Verlag : M. Wilkens , Leer. 1897
Volksmusik: Volksmusik Praxis
Liederzeit: 19. Jahrhundert
Ort: Borkum
Siehe dazu auch:
- Das deutsche Volkslied ()
- Des deutschen Volkes Liederschatz ()
- Deutschfolk ()
- Gesang in der Grundschule ()
- Männergesangsvereine ()
- Ministerium stoppt Bundeswehr-Liederbuch ()
- Volkslieder 2023 ()
- Volkslieder im Mai ()
- Volkslieder-Wettbewerb um den Adolf-Hitler-Preis ()
- Vorwort zu „Deutsche Weihnachtslieder“ (Simrock) ()