Ich hatt einen Kameraden (1916 , In der Heimat….)

Wilhelm Schremmer : (in: Das Lied im Kriege , in: Die Volksschule , 12. Jahrgang 1916 , H.4, S. 163f)

Aus jedem Soldatenzuge, aus jeder Kaserne erklingt heute ein Lied, das in seiner Anknüpfung an den volkstümlichen Wortlaut eines Gedichts von Ludwig Uhland mit Neuschöpfungen eine sonderbare Mischung darstellt. Uhiand dichtete seine „guten Kameraden“ nach dem Vorbilde eines alten Volksliedes wie etwa Goethe sein „Heideröslein“. Vom Volke entnommen, kehrt es wieder in den Volksmund zurück, so daß es heute das meistgesungenste, beliebteste Lied darstellt. Wie oft wurde es von Millionen seit Beginn des Krieges schon gesungen! Neben den Soldaten singen es die Kinder auf allen Straßen.

Wer mit der Seelengeschichte des Volksliedes etwas vertraut ist, hält bei dem Liede des Kriegsjahres 1914 verwundert still, aber er wundert sich nicht lange darüber. Die Zusammensetzung mutet wohl zuerst eigenartig an, und doch wie volkstümlich ist das Lied gerade durch das Zueinanderbringen von Lieblingsvorstellungen und -werten:

Ich hatt einen Kameraden
einen bessern findst du nicht
Die Trommel schlug zum Streite
er ging an meiner Seite
Gloria, Gloria,
Gloria, Viktoria
Ja mit Herz und Hand
den Säbel in der Hand
ürs Vaterland
Die Vöglein im Walde
die sangen, sangen wunderschön
In der Heimat, in der Heimat
da gibt´s ein Wiedersehn!

Wie rührend mutet gerade der Schluß von den Vöglein im Walde an; es ist alles innig und fein empfunden. Das ist das Lieblingslied der Helden, die egen Frankreich, Rußland und England stürmten und dem Tode ohne Grauen in das Auge sehen und den Vätern nirgends nachstehen. Es ist dieselbe Empfindsamkeit der Seele wie 1870; schon 1813 taucht sie hervor. Auch in der Weise gibt sie sich kund. Mitten in Rauch und Trümmern träumt die Volksseele ihren Traum, da wendet sie sich von der Welt des Krieges ab  und dichtet  vom Wiedersehen, den Vöglein im Walde, der Heimat, der Allerliebsten.

Von Blut und Kampf wie in den Liedern der alten Zeiten ist keine Rede mehr. Das zu überliefern haben die Zeitungen übernommen. Die echte deutsche Gefühlstiefe wird auch aus dem großen Weltbrande hervortauchen und der Welt Kunde von dem nie sterbenden deutschen Idealismus geben. Von Kunstgedichten werden eben nur die volkstümlich, die diese Töne anzuschlagen verstehen: „Morgenrot“, „Nun ade, du mein lieb Heimatland“….

aus: Wilhelm Schremmer : Das Lied im Kriege , in: Die Volksschule , 12. Jahrgang 1916 , H.4, S. 163f

Die obige Fassung mit „Gloria Viktoria“ und „Die Vöglein im Walde…“ findet sich – womöglich erstmals – in  Was die deutschen Kinder singen (1914) , dort mit der Angabe „In dieser Fassung Eigentum von Schott´s Söhne , Mainz“

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