Geschichtliche Entwicklung der Heimathymnen

Gertrud Stendal (in: Die Heimathymnen der preußischen Provinzen)

Die Heimathymnen von 1850 bis 1870

Die literarische Produktion auf dem Gebiete der Heimathymnen war allerdings auch in diesen beiden Jahrzehnten tätig; jedoch entstanden nur drei, welche sich an Volkstümlichkeit mit den Liedern der vierziger Jahre messen können. Es sind dies die emsländische Heimathymne von Heinrich Luken, das schleswigholsteinsche Farbenlied von Friedrich Wendell und das Westfalenlied von Emil Rittershaus. Alle drei liefern den Beweis dafür, daß jetzt die Heimathymnen nicht mehr unabhängig voneinander auftauchen, sondern daß sie sich untereinander zu beeinflussen beginnen. Wie das Lükensche Lied die Entstehung der ermländischen Heimathymne veranlaßte, so war die Abfassung des Westfalenliedes an den Erfolg geknüpft, den das Inkermannsche Rheinlied unmittelbar nach seiner im Jahre 1868 erfolgten Komposition zu verzeichnen hatte. Auch das Wendelische Farbenlied weist in seiner Entstehungsgeschichte, wenn auch nur indirekte, Beziehungen zum Schleswig-Holstein-Liede auf.

Die übrigen Heimathymnen der sechziger Jahre erlangten zum Teil nur beschränkte Verbreitung, zum Teil fanden sie erst lange nach ihrer Entstehung Komponisten und wurden daher erst nach 1870 populär. Im allgemeinen scheint das Publikum sich in den sechziger Jahren ablehnender gegen die Heimathymnen verhalten zu haben als von 1840 bis 1850. Vielleicht ist ein Grund dafür darin zu sehen, daß die Kriegsjahre 1864 und 1866 die Liebe zur engeren Heimat hinter dem Gedanken an das allgemeine Vaterland zurücktreten ließen.

Nach 1870 wurde die die Heimathymnen betreffende literarische Produktion durch verschiedene, den Jahren vor dem deutsch-französischen Kriege unbekannte Zeitströmungen stark beeinflußt. Der Krieg hatte die Hoffnung auf ein einiges deutsches Reich erfüllt und dadurch dem deutschen Nationalbewußtsein einen starken Aufschwung verliehen. Dieser Nationalstolz mußte auf die Entwicklung der patriotischen Lieder im allgemeinen wie auch der Heimathymnen im besonderen von großem Einflüsse sein. Auf die letzteren macht sich dieser Einfluß insofern geltend, als der Vaterlandsgedanke in ihnen von nun an einen viel breiteren Raum gewinnt als zuvor. Ferner hatten die veränderten politischen Verhältnisse ein neues Feld für die Heimathymnen geschaffen. Durch die Kriege war eine Erweiterung des preußischen Gebietes erfolgt. Vorher selbständige deutsche Staaten waren preußische Provinzen geworden. Es ist selbstverständlich, daß das stärkere Zusammengehörigkeitsgefühl dieser neuen Provinzen, wenn nicht durch den Stammescharakter, so doch durch die geschichtliche Entwicklung bedingt, nicht ohne weiteres auszulöschen war.

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