Ein Fest für Robert Blum (1848)
Unbekannter Verfasser (in: Deutsche Reichstags-Zeitung: 18. August 1848)
Leipzig 18 August 1848. Heute feierten wir zu Ehren unseres Robert Blum ein noch nicht dagewesenes Volksfest im großen Küchengarten. Der deutsche Vaterlandsverein hatte es veranstaltet. Das Festlokal war auf die geschmackvollste Weise mit Fahnen der deutschen Farben, mehreren Transparenten, dem deutschen ungekrönten Doppeladler, unzähligen bunten Lampen usw geschmückt. In der Mitte befand sich eine Festhalle für Blum, dessen Familie und für so viele seiner Freunde und Verehrer, als darin Raum fanden. Um fünf Uhr Nachmittags begann das Konzert, um dieselbe Zeit begab sich eine Deputation nach Blum’s Wohnung um den verehrten Mann mit seiner Familie abzuholen. Die Festordner hatten schwarz rot goldene Schärpen oder auch dergleichen Armbinden. Nach halb sechs Uhr erschien Blum mit den Seinen, er wurde am Tore von mehreren Ausschußmitgliedern des Vaterlandsvereins empfangen und nach dem Festsalon geleitet, dort angekommen erscholl ihm von der Menge ein tausendstimmiges Hoch.
Nachdem einige Konzertstücke dem Programm zufolge aufgeführt worden waren, hielt ein Ausschußmitglied des Vaterlandsvereins eine passende Rede, worin er vorzüglich das hervorhob, daß Robert Blum zu Frankfurt a M in jeder Beziehung als Ehrenmann gehandelt habe und daß er sich auf das Glänzendste seinen wenigen Feinden gegenüber durch seinen Bericht gerechtfertigt, daß aber Blums Freunde aus denen die große Mehrzahl der Bewohner Leipzigs bestehe, bisher ihre Schuldigkeit in sofern nicht allseitig erfüllt haben, als er von hier aus nicht wie es hätte geschehen können, in seinen Bestrebungen gehörig unterstützt worden sei.
Diese Rede schloß ein donnerndes Hoch auf Blum, welcher die im Garten errichtete Tribüne bestieg und in hinreißender Weise zu Leipzigs Frauen und Männern sprach. Seine Rede steigerte den Enthusiasmus der versammelten Menge bis zum lautesten Ausbruche, als er die Worte sprach: Frauen und Jungfrauen Ihr selbst gehört ja auch zur Linken, da ihr ja in den Herzen der Männer, die ihr so unendlich beglückt, lebt. Er hob noch die Spaltung des Vaterlandsvereins in Leipzig hervor und versicherte, daß er stets dem Teile des Vereins sich zuzählen werde, der die Freiheit am kräftigsten erstrebe. Am Schluße der Rede brachte er Leipzigs Bewohnern ein Hoch. Hierauf sang man das Lied „Ihr Männer auf der Linken“.
Mittlerweile war es dunkel geworden, man hatte unzählige bunte Lampen angezündet, die Transparente und die nahe liegenden Gebäude illuminiert, so daß der festlich geschmückte Garten einen herrlichen Anblick gewährte. Noch wurden zwischen den einzelnen Konzertstücken die Lieder „Wo deutsche Männer sich vereinen“ und „Der deutsche Philister“ von Fallersleben gesungen.
Während des ganzen Abends wogten die Menschen um die festlich geschmückte Halle, in der sich Blum befand, fast stets erklangen von Männern und Frauen die Worte: seht dort ist unser Blum, dort steht er. Keinen Augenblick war Blum, ohne von irgend wem begrüßt zu werden, ohne dem oder jenem ein freundliches Wort zu zurufen und zum herzlichen Drucke die Hand zu reichen. Gegen 9 Uhr begann ein Feuerwerk. Bengalische Feuer verschiedener Färbungen erleuchteten von Zeit zu Zeit magisch den Garten und nach 9 Uhr verkündete ein Böllerschuß so wie das Steigen einer Rakete den Beginn des eigentlichen Feuerwerks, welches auf das Glänzendste angeordnet war. Mehrere Redner sprachen noch, unter denen der eine auf eine Sammlung für die Frauen und Kinder der Flüchtlinge antrug, welche auch sogleich ins Werk gesetzt wurde und die sich regelmäßig wiederholen soll. Nach Aufführung des letzten Konzertstückes sprach Blum noch einige Worte, zum Schlusse des Festes den versammelten Bürgerinnen und Bürgern Gute Nacht wünschend, welche von der Menge durch ein Hoch auf Blum erwidert wurde. Es mögen wohl ohngefähr 8000 Menschen gegenwärtig gewesen sein, obschon an demselben Tage ein Fischerstechen an einem anderen öffentlichen Orte veranstaltet war. Kein Unfall, keine Ungehörigkeit störte das Fest, und mit derselben Würde wie dasselbe begonnen, endete es gegen 11 Uhr Nachts.
Unter den Transparenten befand sich auch eines auf die 26 Wahlmänner, welche vor Blums Ankunft ein Mißtrauensvotum hatten zusammenbringen wollen. Dies Fest wird lange im Andenken von Leipzigs Bewohnern leben und wir hoffen, daß sich dessen auch Blum in den Stunden schwerer parlamentarischer Kämpfe und im Augenblicke giftig boshafter Anfeindungen seiner vornehmen und mächtigen Gegner, mit Freuden und Vertrauen erinnern werde. Heute Abend ist ein großes Banquet Blum zu Ehren im Odeon. Morgen Volksversammlungen zu Stötteritz und Volkmarsdorf. Heute ist Blum nach Wittenberg, wo mehrere Männer der Linken von Berlin und wohl auch von Frankfurt zusammentreffen werden.
Volksmusik: Zeitgeschehen
Liederzeit: 1848-1849 Deutsche Revolution
Schlagwort: Robert Blum
Ort: Leipzig
Siehe dazu auch:
- Betrifft „Hamburger Swing-Kreise“ ()
- Das Attentat des Bürgermeisters Tschech vom 26. Juli 1844 ()
- Der alte Gewerkschafter Xaver – Anekdote ()
- Der Ruhrkampf 1920 ()
- Die hessischen Söldner bei Schiller ()
- Die toten Bergleute in Hausdorf in Schlesien ()
- Die Wacht am Rhein (Ernst Toller, 1914) ()
- Ein Besuch in Barackia ()
- Ellis Island ()
- Erlebnisse von der Hausagitation ()
- Fremde in Amerika ()
- Heckerlied ein Studentenlied – aus Heidelberg? (1962) ()