Die toten Bergleute in Hausdorf in Schlesien

Franz Novak (in: Der „Syndikalist“ Nr. 30 vom 26.07.1930)

151 Tote, 40 Verletzte! Über 100 der ermordeten Bergknappen stammten allein aus dem kleinen Hausdorf. Fast in jedem Hause ist ein Mann zu beklagen. In einem sind es neun! Eine Familie verlor an die kapitalistische Profitwirtschaft allein drei Angehörige mit einem Schlage. Das ganze Dorf war tage- und nächtelang ein fürchterliches Jammertal, während profitgierige Filmmenschen nach Kräften ihr Kapital aus der Katastrophe zu schlagen suchten. Regierer und Minister sandten Beileidstelegramme an den Landrat von Neurode und die Grubenverwaltung. An die Grubenverwaltung, also an die Schuldigen des Mordes! Und der Landrat – hat er eine Ahnung vom Los der Bergkumpels? Oder etwa der Regierungspräsident in Breslau, 100 Kilometer vom Unglücksort entfernt, der von Hindenburg selber ein Beileidstelegramm erhielt?

Vor zwei Jahren kamen im Unglücksschacht erst acht Bergknappen um, und vor vier Jahren schon einmal vier – durch Kohlensäure. Acht Tage vor der letzten schauerlichen Katastrophe wurden in der 17. Abteilung bei einem Gasausbruch vier Bergleute verletzt. Dieselben Kreise, die nichts dagegen haben, dass die Bergarbeiter von Neurode entsetzliche Hungerlöhne beziehen, heulen heute vor Beileid. Niederträchtiger Schwindel!

Am Ende der Inflationszeit nahmen die Bergarbeiter in einer gewaltigen Versammlung Stellung gegen das unerträgliche Elend, das über sie kam. Es kam zu Auseinandersetzungen mit Steigern, und 34 Bergarbeiterkameraden wurden wegen Landfriedensbruch zu langmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Klassenjustiz kannte keine Milde. Hauptsächlich unsere syndikalistischen Kameraden wurden getroffen. Damals fuhren die Kumpels mit trockenen Kartoffeln in die Grube! –

Eine andere Inflationstragödie: Als bei Hungerkrawallen der damalige SPD-Landrat von den Arbeitern etwas unsanft angefasst wurde, streckten die Staatsbüttel 14 Arbeiter mit blauen Bohnen nieder. Danach hat kein Hahn gekräht. An den Gräbern spielten sich, als am 13. Juli der größere Teil der Opfer verscharrt wurde, furchtbare Szenen ab. Ein starkes Aufgebot von Gummiknüppelschwingern hielt auswärtige Arbeiterdelegationen von den Gräbern zurück.

An einem Sarge sah ich eine fassungslose Frau, die sieben Kinder bei sich hatte. Das älteste zählte 16 Jahre. Ein Mann in Frack und Zylinder trat an sie heran, drückte einem dieser Kinder ein Heiligenbild in die Hand und „tröstete“ die Frau mit ein paar Jenseitsphrasen. Ich konnte mich nicht halten und sagte dem Heuchler Bescheid…

In Massengräbern liegen die bis jetzt geborgenen Kumpels. Auch unsere syndikalistischen Kameraden dabei. Eine Etappe im Kampfe! Das Kapital hat gerade jetzt einen Generalangriff begonnen. Arbeiten wir an unserem Werke!

Ein Bericht im „Syndikalist“ Nr. 30 vom 26.07.1930.
Der Autor Franz Novak war unmittelbar nach dem Grubenunglück im schlesischen Bergbaurevier.  Er wurde 15 Jahre später im Januar 1945 als „Zigeuner“ im KZ Groß Rosen ermordet.

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