Der Nikolausabend – Der heilige Nikolaus und der Knecht Ruprecht
Wer den sogenannten Nikolaimarkt besucht und die Geschenke prüft, welche Eltern ihren Kindern zur Überraschung kaufen, wer die Art und Weise kennt, wie diese den Kindern gereicht werden, der muss sich wirklich wundern, wie ein so sinnloses Treiben unter vernünftigen Leuten Platz greifen konnte. Und doch hat das Ganze einen so zarten schönen sinnigen Ursprung und eine so lehrreiche Bedeutung, es ist nicht bloß eine Allegorie, Lohn und Strafe versinnlichend, sondern es ist auf dem Boden der Kirche und der deutschen Sage entsprossen:
Hören wir: Der heilige Nikolaus, welcher zu Anfange des vierten Jahrhundertes lebte und im Jahre 352 gestorben ist, war Bischof zu Myra. Sein heiliger Leib ist im Jahre 1087 durch fromme Kaufleute nach Bori in Neapel gebracht worden. Ich will hier nur kurz erwähnen, dass er von jeher als Vorbild der Jugend und Beschützer der Unschuld, besonders der unschuldigen Kinder, verehrt wird.
Der zur Freude (heut zu Tage leider oft zum Schrecken der Kinder) gefeierte Nikolaiabend ist ein uralter frommer, sinniger Gebrauch, der seinen Ursprung aus Folgendem hat: Als der heilige Nikolaus Priester geworden war, war er nun um so eifriger in allen Tugenden. Besonders aber war er wohltätig gegen die Armen. Er war von reichen Eltern und verwendete sein großes Erbe zur Linderung der Not.
Einmal hatte man ihm erzählt, dass in seinem Geburtsorte Patara ein Mann vom Adel so sehr verarmt sei, dass er sich entschlossen habe, die Unschuld seiner drei Töchter dem Laster Preis zu geben, um sich Brot zu verschaffen. Ein heiliger Schreck befiel den frommen Priester Nikolaus: Er eilte daher in der Nacht zu dem Hause des Armen und warf durch das offene Fenster so viel Geld in das Zimmer, als hinreichte, um eine der drei Töchter auszustatten. Dies wiederholte er nach einiger Zeit noch zweimal und rettete so den armen Vater und dessen Töchter aus Not, Sünde und Schande. Diese Tat gefiel nun den Leuten so sehr, dass man sie bis auf den heutigen Tag, leider nur in sehr verdorbener Weise, nachahmt.
Die Bedeutung ist folgende: Nikolaus war ein Vorbild für die Jugend, ein Wohltäter der Armen, ein Freund der Kinder. Um sein Andenken zu ehren, feierte man den Vorabend seines Festes damit, dass man den Kindern Geschenke gab. Um diese aber hüllte man das Geheimnis, dass man den Kindern sagte, dass in der Nacht vor dem Nikolaifeste der heilige Nikolaus herumgehe, die Kinder prüfe, ob sie beten können und etwas gelernt haben, den Frommen und Fleißigen gebe er schöne Geschenke, den Schlimmen und Faulen entweder nichts oder die Rute.
In vielen Häusern geschah es, dass eine Person sich als Bischof verkleidete, mit zwei Ministranten, welche Kerzen in der Hand trugen, in die Wohnungen ging und die Kinder prüfte, dabei sprach der Verkleidete gewöhnlich die Worte:
Ich komme hereingetreten
Will sehen ob die Kinder fleißig beten
Ob sie brav und folgsam sind
Komm nur her mein liebes Kind
Nun mussten die Kinder der Reihe nach heran und die gewöhnlichen Gebete beten, dann etwas lesen und aufsagen was sie sonst wussten.
Wenn er fortgegangen war, hielten nun die Eltern ihre Kinder an, Tücher auszubreiten, damit der heilige Nikolaus etwas einbinden könne. Früh zeitlich sprangen die Kinder aus ihrem Bett, um zu sehen, was der heilige Nikolaus gebracht habe. O Freude, da gab’s Spielsachen, Esswaren und allerhand des Schönen, aber auch manches mal gab es Eines, das im Winkel stand und weinte, denn in seinem Tuche war eine großmächtige Rute, ein paar Steine oder Erdäpfel, die ihm der heilige Nikolaus gebracht hatte, weil es nicht folgen wollte und nicht beten konnte.
Wer ersieht nicht, wie sinnig und freundlich diese Szene war. Die Kinder freuten sich, und die Eltern hatten ein gutes Mittel, die Tugend und den Fleiß derselben durch Verheißung schöner Nikolausgaben anzuspornen. Zugleich ein schönes Haustheaterchen für den langen Winterabend. Wie dies ausgeartet ist, beweist der Mißbrauch, dass man die Kinder mit dem „Nikolo“ schreckt.
Volksmusik: Volkslieder
Schlagwort: Knecht Ruprecht • Nikolaus
Siehe dazu auch:
- Brief von Chemnitz an Straß ()
- Das Schleswiger Sängerfest vom August 1844 ()
- Die Uhr von Loewe ()
- Eine Glosse über „Der Sänger hält im Felde die Fahnenwacht“ ()
- Hobelbank – Hochzeitsbrauch ()
- Kaiserhymne ()
- Negeraufstand – Das N-Wort im 19. Jahrhundert ()
- Reiters Morgengesang ()
- Schleswig-Holstein Meerumschlungen (Entstehung) ()
- Taktwechsel oder 5/4-Takt? ()