Das Attentat des Bürgermeisters Tschech vom 26. Juli 1844

Wolfgang Steinitz (in: Der große Steinitz - II 1962)

Am 26. Juli 1844 wurde auf den König Friedrich Wilhelm IV. und die Königin von Preußen in Berlin ein Attentat verübt. Der ehemalige Bürgermeister von Storkow (südlich Berlin), Ludwig Tschech (*1789), gab vor dem Tor des Berliner Schlosses auf das in der Equipage sitzende Königspaar zwei Schüsse ab, von denen einer den Hut der Königin traf, der andere den König leicht streifte. Tschech wurde zum Tode verurteilt und am 14. Dezember hingerichtet.

Tschech hatte als Bürgermeister einen jahrelangen scharfen Kampf gegen Korruption und Mißwirtschaft in der Verwaltung einer kleinen, von Gutsbesitzern und bestechlichen  Regierungsbeamten abhängigen Kreisstadt geführt. Da sein Versuch, hier zu reformieren auf den erbitterten Widerstand der reichen Stadtbürger und der Regierungsvertreter stieß, reichte Tschech schließlich ein Entlassungsgesuch ein mit der Bitte um eine andere geeignete Stellung im Staatsdienst. Das erstere wurde angenommen, das zweite verweigert.  Tschech reichte ein Gesuch beim König ein, der eben (1840) den Thron bestiegen hatte und von dem weite Kreise „Gerechtigkeit“ erwarteten. Aber auch hier erhält er nur abschlägige  Antworten.

Nach vierjährigem verzweifelten Kampf entschließt sich Tschech, in dem Bewußtsein, eine gerechte Sache zu vertreten, die ihm widerfahrene Ungerechtigkeit an der Person des Königs zu rächen.

In der gespannten innenpolitischen Situation in Preußen — hier sei nur der wenige Wochen vorher blutig niedergeschlagene schlesische Weberaufstand genannt, auf den (im Liedtext)  ausdrücklich Bezug genommen wird — rief Tschechs Attentat ungeheures  Aufsehen hervor.

Zur Charakterisierung der Situation und der Stimmung des Volkes, in der die Verse auf Tschech entstanden, scheint mir nichts geeigneter zu sein als die Tagebucheintragungen jener Monate von Varnhagen von Ense, der durch Herkunft und Beziehungen mit den höchsten Kreisen, durch Humanität und politische Ansichten mit dem Volk verbunden war.

Dies um so mehr, als wir diesen Tagebucheintragungen auch die ersten unmittelbar aus den Wochen nach dem Attentat stammenden Belege für 5 Strophen über Tschech verdanken. Wie stark das Tschech-Attentat die ganze Öffentlichkeit beeinflusste geht daraus hervor, daß es im Jahre 1844 an 21 Tagen in Varnhagens Eintragungen erscheint: ….aber auch in den folgenden Jahren beschäftigt sich Varnhagen mehrfach mit der Tschech-Angelegenheit.
( Steinitz – II 1962)

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