Für ihn lassen wir Gut und Blut – Deutschland 1914
Verfasser unbekannt (in: in: Wümme-Zeitung , Lilienthal , 4. August 1914)
Mobilmachung
In Berlin zog bei der Kunde von der Mobilmachung eine ungeheure Menschenmenge vors Schloß, gehoben und begeistert. Stolz wehen die beiden Standarten der Majestäten auf dem Dache, und die Sonne lachte so friedlich darüber. „Lieb Vaterland magst ruhig sein!“ donnert es unten. Mobilmachung! Es kommen den Leuten ernste Gedanken, schwere Gedanken. Da horch, der Trubel verstummt:
„Ein feste Burg ist unser Gott Ein gute Wehr und Waffen!“ So schallt es plötzlich. Ein feierlicher, ergreifender Augenblick. Das ist die deutsche Innerlichkeit, das deutsche religiöse Gemüt, das sich regt und nicht mehr zurückdrängen läßt.
Tausend Hüte gehen von den Köpfen. Kein Hurra stört, kein Lärm macht sich bemerkbar; wer nicht mitsingt, lauscht still. Es ist eine Andacht in die Menge gekommen. Kraftvoll, fest, stark in ihrem ehernen Schritt, hallt die trutzige Melodie. Das war ein Domgottesdienst unter freiem Himmel, so feierlich, wie er in den schönsten Kirchen kaum sein kann. Wie eine Antwort fallen dann mit metallenem Munde die Domglocken voll und tief ein. Aber kein „Amen“ singt die Gemeinde unten, sondern:“Hurra der Kaiser! Hurra das Vaterland.“ Dann: „Wir wollen unsern Kaiser sehen!“ Alsdann erschien der Kaiser an einem Fenster der ersten Etage in der Uniform der Königsjäger, die Kaiserin und Herren des Gefolges.
Der Kaiser hielt eine Ansprache und sagte ungefähr folgendes: Er danke für die Liebe und Treue, die ihm erwiesen werde. Wenn es zum Kampfe komme, höre jede Partei auf. Wir seien nur noch deutsche Brüder. In Friedenszelten habe ihn ja wohl die eine oder die andere Partei angegriffen, das verzeihe er von ganzem Herzen. Wenn unser Nachbar uns den Frieden nicht gönne, dann hoffe und wünsche er, daß unser gutes deutsches Schwert siegreich aus dem Kampfe hervorgehe.
Unbeschreiblicher Jubel brach los. Nach immer wiederholten Hurrarufen entfernte sich der größte Teil des Publikums unter dem Gesänge der „Wacht am Rhein“. Vor dem Reichskanzlerpalais machte gegen 9 Uhr ein imposanter Zug Halt, der in ernster patriotischer Stimmung „Heil dir im Siegerkranz“ und „Lobe den Herrn“ sang.
Der Reichskanzler erschien an einem Fenster des ersten Stocks und richtete an die Menge folgende Worte: In Ihrem Liede haben Sie unserem Kaiser zugejubelt: Ja, für unseren Kaiser stehen wir alle ein, wer und welcher Gesinnung und welchen Glaubens wir auch sein mögen. Für ihn lassen wir Gut und Blut.
Der Kaiser ist genötigt gewesen, die Söhne des Volkes zu den Waffen zu rufen. Wenn uns jetzt der Krieg beschieden sein sollte, so weiß ich, daß alle jungen deutschen Männer bereit sind, ihr Blut zu verspritzen für den Ruhm und die Größe Deutschlands, aber wir können nur siegen in dem festen Vertrauen auf Gott, der die Heerscharen lenkt, und der uns bisher noch immer den Sieg gegeben hat. Und sollte Gott in letzter Stunde uns diesen Krieg ersparen, so wollen wir ihm dafür danken. Wenn es aber anders wird, dann mit Gott für König und Vaterland!
in: Wümme-Zeitung , Lilienthal , 4. August 1914
Lied-Geschichte: Heil dir im Siegerkranz
Volksmusik: Lied und Erster Weltkrieg
Liederzeit: 1914-1918 Erster Weltkrieg
Ort: Berlin, Rhein
Siehe dazu auch:
- Aufruf zur Gründung von Kriegsschulmuseen (1915) ()
- Berliner Jungen ()
- Besonders schöne deutsche Innigkeit (1915) ()
- Das deutsche Lied an der Front ()
- Der Krieg in Trupermoor (1914) ()
- Deutscher rede Deutsch ()
- Die Tiere als Soldaten ()
- Eine Massenmobilmachung der Reimpaare (1914) ()
- Ich hatt einen Kameraden (1916 , In der Heimat….) ()
- Ich hatt einen Kameraden (1918) ()
- Im Gesang vergißt das Kind, das Krieg ist ()
- Jugend im ersten Weltkrieg (1914) ()