Der Auszug nach Weiler (1848)

Wolfgang Steinitz (in: Volkslieder demokratischen Charakters II)

Für die Bauern war von den neuen Forderungen [im März 1848] keine so wichtig wie die Befreiung des Bodens, die Aufhebung der Feudallasten. In manchen Orten fehlte die Geduld, um auf gesetzliche Regelung zu warten, vielleicht auch der Glaube daran. In Baden kam es zuerst seit dem 6. März da und dort zu Ausschreitungen, die zumeist auf Zerstörung der Akten und Saalbücher aus den herrschaftlichen Registraturen ausgingen. In Württemberg waren es vorzugsweise hohenlohische Orte, Niederstetten , Schrozberg , Roth am See , Lendsiedel u.a. , die zu solcher Selbsthilfe griffen.

In der Nacht vom 12. auf 13. März erhoben sich auch die Bewohner des sogenannten Burgfrieden im OA. Weinsberg, die zur ehemaligen Herrschaft Maienfels gehörigen Orte Brettach , Neuhütten , Oberheimbach und Maienfels . Diese von Hausierbevölkerung bewohnten mittellosen Gemeinden hatten seit 1838 einen Streit mit ihrer Gutsherrschaft, den Herrn v. Gemmingen , wegen der Kirchenbaulast, da die gemeinsame Kirche in Maienfels baufällig und unbenutzbar war.

Der Prozeß stürzte sie in Schulden und verursachte, daß sie auch ihre althergebrachten Grundlasten drückender empfanden. In einer Versammlung im Rößle zu Neuhütten, dessen Wirt Georg Ehemann eine Führerrolle gespielt zu haben scheint, wurde beschlossen nach Weiler zu ziehen und dort, da die Herrn v. Weiler ein Drittel an der Ganherrschaft Maienfels besaßen, einen Verzicht auf die Abgaben zu verlangen. Sie hofften wohl dort eher zum Ziel zu gelangen als in Maienfels selbst, mit dessen Besitzern sie prozessieren mußten.

Bald nach Einbruch der Nacht vom 12. auf 13. März setzte sich der Zug in Bewegung, zuerst nach dem Weiler Kreuzle, wo ein Gemmingenscher Rentbeamter und Vierförster seinen Sitz hatte. Von da ging es nach Weiler, wo von 2 bis 4 Uhr Nachts an der Vernichtung der Akten gearbeitet wurde, dann über Neuhütten nach Maienfels, in Begleitung des aus Kreuzle mitgenommenen Beamten, der seine Schlüssel mit sich führte.

Gegen Mittag war man in Maienfels fertig. Die Fortsetzung des Zuges, um auch in Brettach und Oberheimbach nach Akten des Rentamts zu suchen, unterblieb. Der Haufen war einer Kompagnie des 7. Infanterieregiments begegnet und ließ sich durch den Hauptmann Fitügel überreden, „zu Zucht und Ordnung“ zurückzukehren ( Württemb. Jahrbücher 1849, l, S. 142)

Der Feuerschein aus Weiler veranlaßte das Ausrücken der Heilbronner Feuerwehr. Zwei Tage später wurde Militär aufgeboten, als der Oberamtsrichter Römer von Weinsberg die Verhaftung einiger Hauptschuldigen, darunter des schon erwähnten Georg Ehemann von Neuhütten , anordnete. Dabei kam es vor dem Rathaus zu Neuhütten (Wirtshaus zur Sonne) zu einem sehr heftigen Auftritt, die Verhafteten widersetzten sich und Römer sah sich, um Blutvergießen zu vermeiden, genötigt, sie wieder freizugeben.

Auch ein zweiter Richter, der Gerichtsaktuar Klemm von Waiblingen , wurde, als er ohne militärische Bedeckung am 11. Mai in Neuhütten mit der Untersuchung beschäftigt war, von der aufgeregten Einwohnerschaft genötigt, sich unter Hinterlassung seiner Akten zurückzuziehen. Erst der dritte. Oberamtsrichter Oberjustizrat v. Hammer in Eßlingen, am 13. Maimit der Untersuchung beauftragt, konnte sie zu Ende führen. Das Urteil, das erst im folgenden Jahr gefällt wurde, lautet gegen 33 Männer auf Freiheitsstrafen von 4 1/2 Monaten bis zu 1 Jahr und 9 Monaten;
diese Strafen wurden jedoch durch Begnadigung am 24. Jan. 1850 bedeutend gemildert.

Das Lied … beschränkt sich, was den Auszug betrifft, auf die Vorgänge in Weiler, die es in bemerkenswerter Übereinstimmung mit einem Bericht schildert, den der Beobachter am 13, März 1849 in seinem an die Spitze des Blattes gestellten „Revolutionskalender“ gibt und den Wilhelm Zimmermann seiner „Deutschen Revolution“ einverleibt hat. Beide weichen zugleich nicht wesentlich von der Darstellung des Untersuchungsrichters v. Hammer ab, die nur weit nüchterner gehalten ist. Alle drei Berichte sind gewiß unabhängig von einander. Das Lied gibt aber auch noch die Szene vom 15. März 1848, die der Beobachter nicht erwähnt.

wiedergegeben nach Wolfgang Steinitz II 1962 – der das vollständige Lied unter dem Titel „Nur her mit dem was wir gefordert“ wiedergibt – (Unterheimbach)

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