Krieg und Gesangunterricht

Beitrag in "Die Volksschule" , 14. Jg. 1918

Das Urteil der Fachleute über den Soldatengesang im Felde lautet wenig erfreulich auch hinsichtlich der Beteiligung an den im Stellungskrieg zahlreich entstandenen Chorvereinigungen und Quartetten. Recht lesenswerte Ausführungen veröffentiicht darüber Jos. Schuberth in „Die Stimme“ (Dezember 1916):
Die Singelust unserer Feldgrauen ist groß, das stimmliche Material „manchmal geradezu hervorragend“. „Und doch muß leider gesagt werden, daß der mal Männergesang geradezu versagt hat.“ Alle kleinen Hindernisse, wie Notenbeschaffung, Übungsraum usw. sind leicht zu überwinden. Es bleibt nur ein Übel: „Die Unfähigkeit vieler Sänger, ganz einfache Volkslieder oder Choräle nach Noten vom Blatt zu singen.“ „So aber hat der Chorleiter die häufig undankbare Aufgabe, Note für Note, Stimme für Stimme mechanisch einzupauken. Das nimmt ihm am meisten Zeit weg, macht die Proben langweilig und läßt zum musikalischen Studium unter den bestehenden Verhältnissen die allergeringste Zeit. Somit ist der größte Übelstand zu bezeichnen, daß ein großerTeil der Mannschaften keine Ahnung von Notenwerten, Tonhöhe und Treffsicherheit hat, von Stimmbildung, dem Haupterfordernis schönen Gesanges, gar nicht zu sprechen.“

Dieselben Klagen hören wir von Hugo Löbmann in einem Artikel der „Deutsche Sängerbundeszeitung“: „Der deutsche Männergesang, die Volksschule und der Krieg“. Auch er stellt aus Feldpostbriefen fest, daß Sangesfreudigkeit und Liebe zum deutschen Liede ein Wesenszug des deutschen Soldaten ist, daß ihm, dem Soldaten, aber ebenso sehr die Befähigung zur erfolgreichen Beteiligung am Vereinsleben im Felde fehlt.

Im gleichen Sinne lauten die Urteile von den im Felde stehenden Fachleuten, die ich gelegentlich über den Gesang unserer Feldgrauen befragte. Es ist weniger die Liederarmut, als vielmehr die Unfähigkeit, die zu Tausenden ins Feld gesandten Lieder- und Stimmbücher mit Verständnis zu gebrauchen, die als Übelstand empfunden wird. Damit sollen keineswegs die dankenswerten Notensendungen so vieler Verleger, die sie unsern Feldgrauen haben zugehen lassen, als überflüssig bezeichnet werden. Es sollte nur festgestellt werden, daß dieses Liebesgabenwerk noch viel größeren Segen hätte stiften können, wenn die Bücher in der rechten Weise – nicht nur als Textbücher -benutzt werden könnten.

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