Kriegspropaganda im Bremer Lesebuch (1915)

Das letzte Geleit für Soldaten

Es ist ein herrlicher Sommerabend im August. Die Straßen, die vom Markt zum Bahnhof führen, sind voll von Menschen. „Heute abend rücken unsere Soldaten ins Feld, mit Musik werden sie zum Bahnhof gebracht.“ Alle, die das hören, bleiben stehen und harren geduldig; denn sie wollen unsern 75ern (Gemeint ist das Infanterieregiment Bremen , 1. Hanseatisches, Nr.75)  den Abschiedsgruß zuwinken. Besonders in der Bahnhofstraße ist ein Gedränge, das immer dichter wird.

Da endlich ertönen in der Ferne die dumpfen Schläge der Pauke, dann ist die Musik deutlich zu hören, und brausendes Hurra mischt sich hinein. Ein jeder reckt den Kopf hoch, um etwas zu sehen. Sie kommen! Ein dichter Haufen marschiert im Takte der Musik voran; es sind Leute, die ihren Angehörigen das letzte Geleit in der Heimatstadt geben wollen. Dann sieht man Gewehre aufblitzen.

In Viererreihen, in festem Schritt und Tritt rücken die Feldgrauen heran. Voran zieht die Musik, als erster der Musikmacher, den Taktstock in der Hand. Es folgen die Offiziere mit gezogenem blanken Degen an der Schulter. Und dann kommen die vielen Soldaten, alle in nagelneuen, grauen Waffenrocken, den schwerbepackten Tornister hinten auf, das Gewehr auf der Schulter.

Helme und Gewehre sind mit bunten Blumen geschmückt, als ginge es zu einem Feste. Kampfesmut leuchtet den jungen Kriegern aus den Augen, und Siegeszuversicht strafft den Körper. Aus der Menge und aus den Fenstern der Häuser kommt ein Winken und Grüßen mit Hüten und Taschentüchern.

Mit Hurra werden die Ausziehenden empfangen, und ein herzliches „Auf wiedersehen!“ folgt ihnen. So geht der Zug zum Bahnhof, Dort drängt sich die nachfolgende Menge noch dichter zusammen. Vor dem Eingang wird Halt gemacht. Der Oberst hält eine kurze, begeisternde Ansprache an seine Soldaten, ein brausendes Hurra tönt über den weiten Bahnhofsplatz. Die Musik spielt zum Abschiede: „Muß i denn zum Städtele hinaus“.

Dann singen alle „Deutschland Deutschland über alles“. Unter den Klängen dieses Liedes beginnt die Fahrt an Deutschlands Grenze, nach Osten oder nach Westen. Gott schütze euch, ihr tapferen Krieger! „In der Heimat, in der Heimat, da gibt´s ein wiedersehn!“

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