Sänger werden Soldaten (1913)
Stärkung der Volksgesundheit durch Gesangsunterricht
Rechtes Singen erfordert richtiges Atmen, und deshalb wird der rechte Gesangunterricht sich mit diesem besonders zu beschäftigen haben. Weiter unten werde ich mich eingehend damit befassen, hier nur so viel, daß durch das beim Singen benötigte Tiefatmen eine Lungengymnastik erzielt wird, die nicht einmal durch das Turnen erreicht werden kann; dadurch ist der Gesangunterricht in hygienischer Beziehung von ungeheurer Bedeutung.(…) Die neuerdings in den höheren Schulen Preußens eingeführten, täglich vorzunehmenden Freiübungen sollen ganz besonders die Lungen der Schüler zum Tief atmen, d.h. zum Atmen in ihrer ganzen Ausdehnung veranlassen; in ungleich höherem Maße aber geschieht dies beim richtigen Singen, wobei die Brust ordentlich vollgesaugt werden muß, wenn anders ein richtiger Ton entstehen soll. Somit ist eine neue wertvolle Begleiterscheinung des Gesangunterrichts die Stärkung der Volksgesündheit. Bei Eröffnung der Schulkonferenz am 4. Dezember 1890, die im Beisein Sr. Majestät des Kaisers erfolgte, hat dieser gesagt: „Ich suche Soldaten; wir wollen eine kräftige Generation haben.“ Nun, eine kräftige Generation gibt´s nicht ohne kräftige Lungen, und dazu kann am besten mithelfen der richtige Schulgesangunterricht.
Der Chor stellt die musikalische und gesangliche Spitze der gesamten Schülerschar dar; seine Leistungsfähigkeit wird der Gradmesser für den Gesangunterricht an der Anstalt sein. Ihm fallen große Aufgaben zu; er ist berufen, die zahlreichen Schulfeiern und Schulfeste zu verschönen und ihnen eine höhere Weihe zu geben; sein Gesang begrüßt die neu eintretenden Lehrer und Schüler und ruft den Scheidenden ein Lebewohl nach; er stimmt die Trauerklage an, wenn es .gilt, einen Dahingegangenen zur letzten Ruhe zu geleiten; Freud und Leid im Vaterlande und im Herrscherhaus spiegelt sich in seinen Gesängen wieder; religiöse und vaterländische Gesinnung, Freude an der Natur, Begeisterung für alles Schöne und Edle findet in ihn Ausdruck; er vermittelt durch alljährliche Aufführungen eine ideale Verbindung zwischen Schule und Haus; das Singen in ihm erweckt durch das gemeinsame Zusammenwirken der verschiedensten Altersstufen den Gemeinsinn in den Schülerherzen, es spornt die Schüler an zu aufopfernder Tätigkeit für eine gemeinsame Sache; diese lernen hier, sich unterzuordnen, sich hinzugeben zum Wohl des Ganzen: Und so ist das Singen im Chor ein Erziehungsmittel allerersten Ranges und die Aufgabe des Chores eine hohe und – schwere.
Quelle: Georg Rolle : Didaktik und Methodik des Schulgesangunterrichts , München 1913
Volksmusik: Kriegserziehung im Kaiserreich
Liederzeit: 1871-1918: Deutsches Kaiserreich
Schlagwort: Schule
Ort: München
Siehe dazu auch:
- 50. Geburtstag des Kaisers (1909) ()
- Allerhöchste Ordre für Schulpolitik (1890) ()
- Als die Trommel klang Tal und Feld entlang (Kriegspropaganda)
- An die deutschen Kinder (1891) ()
- Anweisung für Schulfeiern Kaiserreich (1888) ()
- Auf auf ihr munteren Kameraden (Kinderlieder)
- Auf denn zum heiligen Krieg (1916) (Kriegslieder)
- Aufruf zur Gründung von Kriegsschulmuseen (1915) ()
- Aus einer Schulfibel (1908) (Kinderreime)
- Aus Haus und Hof sind wir hinausmarschieret (Kriegslieder)
- Berliner Jungen ()
- Besonders schöne deutsche Innigkeit (1915) ()