Kriegszeit – harte Zeit (1913)
„Ja, ja, nur Geduld!“ Schon vor ein paar Wochen hatten wir uns vorgenommen, mal eine Gruppe von Liedern in Form eines Konzerts zu wiederholen Da nun schon mehr als ein Vierteljahr vergangen war, seitdem wir uns gegenseitig das letzte kleine Konzert gegeben hatten, so wurde es höchste Zeit, daß wir endlich einmal mit den Vorarbeiten zu einem neuen begannen. Es handelte sich diesmal um die Kriegslieder, die wir im Laufe des letzten Jahres kennen gelernt hatten.
Die Jungen selbst hatten sich das Thema ausgesucht, hatten sich des längeren über eine passende Benennung gestritten, waren dann aber schließlich, als nichts vor ihrer Kritik bestand, auf meinen Vorschlag eingegangen und hatten dem Ganzen den Namen „Kriegszeit – harte Zeit!“ gegeben.
Dann gings an die Vorbereitungen. Zuerst wählte die Klasse Gerhardt, Hans und Adolf, die sollten das Programm zusammenstellen. Die drei versäumten dann aber, an einem Nachmittag zusammenzukommen, und so konnten sie zum Verdruß der übrigen in der nächsten Stunde nur eine ungeordnete Zusammenstellung von sechs Liedern vorlegen, die sie in der Frühstückspause vorher schnell zusammengerakt hatten. So mußten wir nun gemeinsam darangehen und die Lieder ordnen.
Was soll das erste sein?“ „Erst kommt „Morgenrot, Morgenrot“, sagt Willy,“das ist, wie sie ausziehen, und dann denken sie daran, daß sie alle sterben können.“ „Dann kommt „Ich hatt´ einen Kameraden“, fährt Ritschy fort, „das ist nach der Schlacht, wenn der eine seinen Kameraden verloren hat.“ Und dann – da sitzen wir fest. „Das muß eine richtige Geschichte werden,“ meint Willy zögernd. „Ja, der Meinung sind wir alle; aber wie soll es nun weitergehn?“ „Ach was,“ ruft Adolf energisch, „nach der Schlacht kommen sie nach Straßburg und müssen da auf den Wall aufpassen, wenn der Feind kommt.“ „Also welches Lied käme demnach jetzt?“
„Zu Straßburg auf der Schanz“, da hat der eine Heimweh gekriegt, und danach singen wir „Es geht bei gedämpfter Trommel Klang„; dann wird er erschossen.“ „Und dann ziehen, die anderen wieder in ihre Heimat zurück,“ fährt Hans fort, „und singen immer „0 Straßburg, o Straßburg“.
Das haben sie sich unterwegs gelernt. Und wenn sie ihre schlechten, zerrissenen Kleider ansehen, singen sie „Schier dreißig Jahre bist du alt“.“ „Na, ja, da hätten wir also schon eine ganze Geschichte fertig.“ Ich komme gleich bei und schreibe das Programm fix und fertig an die Wandtafel:
Kriegszeit harte Zeit
- Morgenrot, Morgenrot
- Ich hatt einen Kamerade
- Zu Straßburg auf der Schanz
- Es geht bei gedämpfter Trommel Klang
- 0 Straßburg, o Straßburg
- Schier dreißig Jahre bist du alt
Während ich die einzelnen Lieder in dieser Reihenfolge anschreibe, wird mir jedesmal zugerufen, auf welcher Seite das Lied steht, was ich gehorsamst vermerke, damit wir nachher nicht so lange herumzublättern und zu suchen brauchen. Nachdem wir damit fertig sind, schlägt Heinrich vor: „Die ersten beiden Lieder muß einer allein singen.“
Volksmusik: Kriegserziehung im Kaiserreich
Liederzeit: 1871-1918: Deutsches Kaiserreich
Ort: Straßburg
Siehe dazu auch:
- 50. Geburtstag des Kaisers (1909) ()
- Allerhöchste Ordre für Schulpolitik (1890) ()
- Als die Trommel klang Tal und Feld entlang (Kriegspropaganda)
- An die deutschen Kinder (1891) ()
- Anweisung für Schulfeiern Kaiserreich (1888) ()
- Auf auf ihr munteren Kameraden (Kinderlieder)
- Auf denn zum heiligen Krieg (1916) (Kriegslieder)
- Aufruf zur Gründung von Kriegsschulmuseen (1915) ()
- Aus einer Schulfibel (1908) (Kinderreime)
- Aus Haus und Hof sind wir hinausmarschieret (Kriegslieder)
- Berliner Jungen ()
- Besonders schöne deutsche Innigkeit (1915) ()