Hier lagern wir am Heckendorn
in Gras und grünen Ranken
und gießen aus dem vollen Horn
den goldnen Wein aus Franken.
Es geht herum im Kreise
und kommt zur Ruhe nie, ja nie,
Dazu ertönt die Weise
„Zieh, Schimmel, zieh!“
Es hat einmal ein Klosterknecht
vor langen, langen Jahren
Weinfässer in dem Korbgeflecht
durchs Tal des Mains gefahren.
Es schritt im Straßenkote
das Rößlein bis ans Knie, ja Knie
Der Fuhrmann bat und drohte:
„Zieh, Schimmel, zieh!“
Es knarrt das Rad, die Mähre dampft,
e kracht die Wagenleiter,
ob auch der Schimmel keucht und stampft,
der Arme kommt nicht weiter.
Er steht und senkt die Ohren
trotz Peitsche, hott und hü, ja hü.
Die Mahnung geht verloren:
„Zieh, Schimmel, zieh!“
Da sah der Knecht die Fäßlein an
und sprach: „Sie sind zu schwere.
drum glaub ich, ist es wohlgetan,
wenn ich das kleinste leere.“
Aus trank er eins der Fässer,
der Herr ihm Kraft verlieh, verlieh;
Dann rief er: „Jetzt geht’s besser!
Zieh, Schimmel zieh!“
Vorm Kloster hielt am siebenten Tag
das Schimmeltier, das brave,
und auf den leeren Fässern lag
der Klosterknecht im Schlafe.
Des Pförtners Lachen hallte,
der Kellner Zeter schrie, ja schrie
Der Fuhrmann selig lallte:
„Zieh, Schimmel, zieh!“
Da sprach der Prior mit Bedacht:
Wir wollen ihm vergeben!
Wo man den Bock zum Gärtner macht,
gedeihen keine Reben.
Der Wein sei ihm gegonnen,
noch manches Faß ist hie, ja hie,
Schenkt ein den Labebronnen!
„Zieh, Schimmel, zieh!“
Text: Victor von Scheffel (1826-1886)
Musik: anonym – aus dem Rheinland – auf die Melodie von „Zieh Schimmel zieh„, welches wohl auch Auslöser für dieses Lied war
u.a. in: Der freie Turner (1913) — Sport-Liederbuch (1921) —