Herr Dietrich der Ritter vom Durstigen Stein

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Herr Dietrich, der Ritter vom Durstigen Stein
hat Habchen und Babchen versoffen;
nun setzt auf ein rosiges Mägdelein
der Edle sein wonnigstes Hoffen.
Mathilden, der lieblichen Erbin, weint
sein Kummer die salzigsten Thränen.
So geht´s, wenn totaler Bankrott sich vereint
mit hangen- und bangendem Sehnen.
Du bändigst o Minne, den Wilden
nun hat er im Sinne Mathilden;
du bändigst, den Wilden, o Minne
nun hat er Mathilden im Sinne –
Mathilden im Sinne, juche!

Und feierlich schwingt sich Herr Dietrich aufs Ross
halb Zwölf zur gewählten Stunde,
doch kaum ist er zweihundert Schritte vom Schloss
schon klebt ihm die Zunge im Munde.
Ihm wird es vor Durst und vor Liebe so bang
er reitet zur lauschigen Schenke,
nimmt dort einen Bitter. Und neuer Elan
durchrieselt ihn mit dem Getränke.
Er wird nicht zagen, nicht zittern
er hat im Magen den Bittern;
er wird nicht zittern, nicht zagen
er hat den Bittern im Magen –
Mathilden im Sinne – den Bittern im Magen, juche!

Er kniet vor Mathilden, er stammelt das Wort:
„Ich lieb‘ Euch, mein Fräulein, ich schwöre!“
Da schnuppert ihr Näschen, sie wendet sich fort:
„Herr Ritter, Ihr riecht nach Liköre!“ –
kaum trauet Herr Dietrich dem eigenen Ohr
es fällt ihm das Herz in das Beinkleid;
er wanket und schwanket durch Tür und durch Tor
und hinter ihm lacht die Gemeinheit.
Er hört noch die losen Scherze
er hat in den Hosen das Herze;
er hört noch die Scherze, die losen
er hat das Herz in der Hosen –
Mathilden im Sinne – den Bittern im Magen – das Herz in der Hosen, juche!

So reitet im lachenden Sonnenschein
mit niedergeschlagener Seele
davon der Ritter Dietrich vom Durstigenstein
da wird ihm gar trocken die Kehle.
Erschreckendes droben auf keuchendem Ross
durchbebt das erhitzte Gehirne;
doch denkt er, wie lang durch die Gurgel nichts floss
rinnt kalt ihm der Schweiss von der Stirne.
Die glühenden Schmerzen im Schlunde
im Herzen die brennende Wunde;
im Schlunde die glühenden Schmerzen
die brennende Wunde im Herzen –
Mathilden im Sinne – den Bittern im Magen – das Herz in der Hosen – die Wunde im Herzen, juche!

Schon winkt ihm wieder ein freundlich Geschick
die Schenke mit blinkendem Schilde.
Da schwellt sich vor Sehnen der durstige Blick
da bist Du vergessen, Mathilde!
Ein Schlückchen nun schluckt er auf’s andere drauf
dann ruft er: „zu Pferde! zu Pferde!“
Wohl mach er zu grässlichem Werke sich auf
sanft zieht ihn der Bittre zur Erde.
Schon wird er dem Hohne zum Spiele
er hat in der Krone zu viele;
schon wird er zum Spiele dem Hohne
er hat zu viel in der Krone –
Mathilden im Sinne – den Bittern im Magen –
das Herz in der Hosen – die Wunde im Herzen – zu viel in der Krone, juche!

Der Ritter, Herr Dietrich vom Durstigenstein
gebärdet am Boden sich wilde;
da kommen die Schergen und wickeln ihn ein
o Bitterer und o Mathilde!
Denn hätt‘ ihm die Zung‘ nicht im Munde geklebt
worauf er den Bittern genommen,
und hätt‘ er ein bisschen manierlich gelebt
wär‘ alles ganz anders gekommen.
Drum zähme den Trieb nach Liköre
oft bringt er die Lieb‘ zum Malöre;
drum zähme likörige Triebe
sie bringen Malör in der Liebe –
Mathilden im Sinne – den Bittern im Magen –
das Herz in der Hosen – die Wunde im Herzen –
zu viel in der Krone – Malör in der Liebe, juche!

Text: Edwin Bormann  – 1873 (1851—1912)
Musik: Erster Teil der Melodie von „Von allen Mädchen (Die Lore am Tore)

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