Groß Jammer und auch Traurigkeit (Schwarze Fahnen sie noch han)

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Groß Jammer und auch Traurigkeit
Ist in der ganzen Christenheit
Das Blutvergießen schwer
Das will doch nehmen gar kein End
Wie man lang gehofft und vermeint

Sonder nur all Tag ärger wird
In vielen Landen wird gespürt
Groß Morden überall
Und daß die Christen jämmerlich
Einander schlachten wie das Viech.

Darum der Himmel trauren thut,
Weil man vergeußt der Christen Blut
Nun aber die bös Welt
Frohlocket und von Herzen lacht
Wann g’schehen ist ein große Schlacht

Gar nicht betrachten ingemein
Und daß wir all Geschwister sein
Und haben nur ein Gott
Der uns alle erschaffen hat
Nach seinem Ebenbild und Rat

Ist das nit immer Sund und Schand
Daß wir gut Christen sein genannt
Und leben so gottlos ?
Ja, wann der Mensch thät, was er sollt
So thät Gott, was man haben wollt

Dieweil wir aber das nicht thon
So kriegen wir den rechten Lohn
Weil Gott uns strafen thut
Mit Krieg und auch mit Pestilenz
Ja leider schon in aller Gränz.

Viel tausend Menschen kommen um
Hör, o mein Christ, in kurzer Summ:
Im Ländlein ob der Enns
Ist leider große Kriegesnot.
Laß dich’s erbarmen, lieber Gott!

Groß Unruh wird im Land gespürt
Weil allda ganz vertrieben wird
Die evangelisch Religion
Auch sonsten andere Sachen mehr
Darvon das Volk rebellisch wär

Und sich zusammen geschlagen han
Jetzund bei sechzigtausend Mann
Das ganz Land g’nommen ein
Bis da au Linz die schöne Stadt
Dieselbig hart belägert hat.

Dem bayrischen Statthalter fein
Erstlich erschlugen das Volk sein
Über zweitausend Mann
Fünfhundert Crabaten darbei
Im ersten Treffen blieben sein

Den schwarzen Fahnen sie noch han,
Ein Todtenkopf darin thut stahn
Darmit anzeigen fein:
Der Tod hab über sie Gewalt
Auch: Christus Jesus sie erhalt

Dem Kaiser auch sein unterthan
Bei Augsburger Confession
Man sie beleiben laß
Woll man sie dann abtreiben thon
Eh wollten sie das Leben lan

Man rüst’t sich stark zum Widerstand
Die bayrischen Bauren allesant
Haben kein Lust dazu
Dann man Teils in die Donau g’sprengt
Auch sonsten Viel ihr Lehn geendt

Noch weiter hör, mein frommer Christ:
Ein Blutbad kurz geschehen ist
Als Fürst von Hollestein
Zu Neukirch im Markt kommet an
Mit vierzehn Fahnen auf der Bahn.

Begehrte allda ein Quartier,
und kamen auf den Markt hinfür
Die Bauren fragten sie
Wer sie hab heißen einher gahn
Bei den sie sollten Quartier han.

Jedoch sie wollen weichen nicht
Indem der Bauren Hauf aufbricht
Und herzlich greifen an
Mit Prüglen, Hacken schlugen drein;
Erbarmen möcht es einen Stein

Das bayrisch Volk (Soldaten) den andern Tag
Kam in der Eil — mit wahrer Sag
Vom Bischof von Salzburg
Auch kamen auf fünftausend Mann;
Die Bauren sie frisch greifen an

0 Gott, was war das für ein Not!
Die Bauren schlugen sie zutodt
Als wie die wilden Schwein
Das Volk da auf der Erden lag
Kein Schuß den Bauren schaden mag

Das Volk lag da zur Erden Grund
Daß Keiner dem Andern weichen kunnt;
Holsteiner gab die Flucht.
Sein Volk sich auch umwenden thet
Und schnell die Flucht genommen hett

Aber die Bauren in der Eil
In d’Flucht sie schlugen dritthalb Meil
Bis an die Donau bald
Wer da mit Schwimmen kam darvon
Im Wasser muß das Leben Ion.

Das Volk auf dreimal kommen um
Zählt man achttausend in der Summ
Und an der Bauren Zahl
Findt man fünfzehenhundert Mann
So seind blieben auf der Bahn.

Wer diese Not beschreiben sollt
Ein ganzen Tag zubringen wollt
0 frommes Christenherz
Bewein die schwere, letzte Zeit
So voller Angst und Traurigkeit!

Wann wir Dasselbig werden thun
So mögen wir den Frieden han
Ach, du Herr Jesu Christ
Gib uns dein Wort, der Seelen Speis
Und dort das ewig Paradeis!

Text: 1626
Musik: nach: Warum betrübst du dich mein Herz (Choral von 1561, von Johann Sebastian Bach 1723 zu einer gleichnamigen Kantante komponiert)

Liederthema:
Liederzeit: vor 1626 : Zeitraum:
Schlagwort:
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auch:  Das ander Lied, Von der bösen
„Ein warhafftige Beschreibung, vnd gründlicher Bericht, Von dem traurigen Auffstaiidt der Ober Enserischen Bauren, was sich jnnerhalb vier wochen mit jhn verlauffen, ist mit fleiß beschrieben, vnd in ein gesang verfast. Im Thon: . Getruckt zu Regenspurg, bey Matthias Müller. Im Jahr 1626.“ (2 Bl. 4°, Öffentl. Bibliothek zu Dresden): nach: Hartmann, Histor. I Nr. 49 S. 207ff.

Bei Hartmann wird noch ein etwas späterer Druck dieses Liedes aus Nürnberg angeführt, der aber ebenfalls von 1626 stammt und noch zwei neue Strophen über weitere Siege der Bauern enthält, Str. 4-6 aber wegläßt. Ein dritter Druck von 1626 ist aus Regensburg bekannt. Es handelt sich also um ein weitverbreitetes Lied, das mit seinen Sympathien eindeutig auf Seiten der aufständischen Bauern steht. (Steinitz I , S. 28)

Anmerkungen nach Hartmann: „Volk“ wird hier für „Soldaten“ gebraucht. Die Bauern wollen dem Kaiser, nicht aber den Bayern Untertan sein. Die Bayern und die kaiserliche Seite rüsten zum Widerstand. Die bayrischen Bauern jedoch wollen an dem Angriff auf ihre Brüder an der Enns nicht teilnehmen, zumal die kaiserlichen und bayrischen Truppen auch bei den bayrischen Bauern geplündert, das Vieh mutwillig abgestochen und Widerstand leistende Bauern getötet hatten, worauf sich wohl die Strophen 4—5 beziehen:

Viele der bayrischen Bauern haben durch die Soldaten ihr Leben geend’t. Herzog Adolf von Holstein-Gottorp war kaiserlicher Befehlshaber. Die in den folgenden Strophen geschilderte Niederlage des Holsteiners und dann der Bayern und Salzburger (Str. 19) war am 19.—20. September 1626. — Die unerhörten Siege der Bauern gegen die kriegserfahrenen Truppen hatten das Gerücht veranlaßt, die Bauern seien „kugelfest“. (Kein Schuß den Bauren schaden mag)