Traute Heimat meiner Lieben
Sinn ich still an dich zurück
Wird mir wohl: Und dennoch trüben
Sehnsuchtstränen meinen Blick
Stiller Weiler, kleine Hütte
immer seufz ich nach euch hin
deine alte fromme Sitte
bleibt stets in meinem Sinn
Deine Fenster, die mit Reben
einst mein Vater selbst umzog
und der Birnbaum, der daneben
über unser Dach sich bog
Nachts in meinen schönsten Träumen
schiff ich oft auf deinem See
Schüttle Äpfel von den Bäumen
wäss´re deiner Wiesen Klee
Pflück im Walde Heidelbeeren
wo ich sonst im Schatten lag
lösch aus deines Brunnen Röhren
meinen Durst am schwülen Tag
Wie wir uns als Kinder freuten
alles kommt mir leibhaft vor
Unser Feierabendläuten
tönet wieder an mein Ohr
Wann erblick ich jene Linde
auf den Kirchenplatz gepflanzt
Wo gekühlt vom Abendwinde
unsre muntre Jugend tanzt
Wann des Kirchturms Giebelspitze
Halb im Fruchtbaumwald versteckt
Wo der Storch auf hohem Sitze
Friedlich seine Jungen heckt?
Wann die Stauden, wo ich Meisen
im Holunderkasten fing
Wann des stillen Weihers Schleusen
wo ich sonntags fischen ging
Wann den Zaun am Blumenraine
wo ich mit Mariechen stand
als wir uns im Mondenscheine
Treue schwuren, Hand in Hand
Gutes Mädchen, denk ich deiner
wird mein Herz so eng und schwer
Ach vielleicht vergaßt du meiner
wähnst, wir fänden uns nicht mehr
Nein, vor meinem Blick erweitert
sich die Aussicht hell und weit
welch ein Strahl der Ahndung heitert
meines Trübsinns Dunkelheit
Wenn die Bäume wieder blühen
kehr ich Wanderer froh nach Haus
und von allen meinen Mühen
ruh in deinem Arm ich aus
Bei den Gräbern meiner Väter
an der Gottesackertür
wird dann früher oder später
auch ein Ruheplätzchen mir
Text: Von Salis-Seewis (1788)
zuerst im Voßischen Musenalmanach von 1788 – wurde später vom Dichter selbst sehr verändert
Um 1800 als Lied mit zehn Strophen volkstümlich geworden: Traute Heimat meiner Lieben
in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885) –