Hab‘ manches Lied in dunkler Nacht gesungen
Wenn heiße Glut durchlodert mein Gehirn
Bis meiner Harfe Saiten schrill zersprungen
Und kalte Tropfen nässten meine Stirn
Indes die Wangen wie im Fieber brannten
Und alle Pulse zuckend sich bewegt
Wenn alle Lichter, alle Sterne schwanden
Die sonst der Himmel für die Menschheit trägt
Wenn alles sich in tiefes Dunkel hüllte
Das eig’ne Leben und das Weltgeschick
Dann schrie ich auf im Weh, das mich erfüllte
Und von dem Schreie blieb ein Lied zurück
Ein Lied, das trotzig bald mit lautem Toben
Wie Nachtgevögel Unheil kündend lärmte
Bald wie ein nächt’ger Falter, schwarz durchwoben
Um einen Funken todesmutig schwärmte
Um einen Funken jener Hoffnungssterne
Die oft verbleichen in der nächt’gen Ferne
Hab manches Lied am hellen Tag gesungen
Bei lauter Sonnengold und Morgenrot
Hab‘ mich zum Himmel jubelnd aufgeschwungen
Der blau und lächelnd frohen Gruß mir bot
Hab unverzagt, wenn Wolken auch gewettert
In gläubig frommer, heilger Zuversicht
So wie die Lerchen keck hervorgeschmettert
Ein stolzes Lied, ein fröhliches Gedicht
Und sah ich Blitze auch herniedergleiten
Zerstörend was die Freiheit aufgebaut
Sah ich die Not, das Irrsal dieser Zeiten
Ein Anblick wohl, vor dem es jeden graut
Ich fühlte Kraft mit einer Welt zu streiten
Und meinen Glauben – ich bekannt ihn laut
Die Freiheit kennt kein Enden, kein Vergeh’n
Es muß ein Tag mit ros’gem Lichte kommen
Da wird der Stein von ihrem Grab genommen
Da wird sie schön und glorreich auferstehn
Da steh‘ ich nun mit diesen Liedern allen
Und laß sie klingen in die Welt hinaus
Sie sind ja dieser Zeiten Widerhallen
Die Gegenwart, sie ist ihr großes Haus
Drinn sind sie alle ja geboren worden
Es steht die Freiheit an des Hauses Pforten
Die diesen Liedern Seele einst gegeben
Sie treibt sie jetzt auch in das rasche Leben
Drum sprecht nur nicht: „was sollen diese Klänge?
Es ist kein Genius, der sie uns weiht
Es hat das Heute schon genug Gesänge
Du ringst vergeblich nach Unsterblichkeit.“
Und fragt nur nicht: „Warum dies Freiheitssingen,
Warum dies Träumen von der künft’gen Zeit?
Warum dies trotzge, kühne Schwerterschwingen
Dies Siegsgeschrei von künftger Herrlichkeit?“
Warum? müßt Ihr denn auch im Lenze fragen
Warum das Grün Euch grüßt mit Hoffnungsgruß
Warum die Vögel Jubelwirbel schlagen?
Das tut das Grün, das Vöglein, – weil es muss
So ist mein Los, so ist mein Lied erkoren
Wie Osterglocken klingt es durch mein Leben
Beim Frühlingsanfang ward ich ja geboren
’s war Ostern, als dem Dasein ich gegeben
Drum laß ich nimmer mir die Hoffnung rauben
Und halte fest im Lieben und im Glauben
Die Freiheit kennt kein Sterben, kein Vergehn
Es muß ein Tag in lichter Klarheit kommen
Da wird der Stein von ihrem Grab genommen
Da wird sie schön und glorreich auferstehn
Und diesen Glauben allem Volk zu künden
Will ich als Boten diese Lieder senden
Sie mögen selbst sich eine Freistatt gründen
Ich streu sie aus mit hocherhobnen Händen
Sie sind ja nichts als jene Frühlingssprossen
Die mitten unter Sturm und Schneeesflocken
Von Tränen wie vom Regen übergossen
Doch Frühling künden, mit den Osterglocken
Das Fest der Auferstehung einzuläuten
Und allem Volk das hohe Wort zu deuten
Der Gott der Liebe ist vom Grab erstanden
Das Reich des Wahn’s des Hasses wird zu Schanden!
So wirds geschehn. – Es wird ein Tag erscheinen
Wo alle Völker frei und stolz sich heben
Zu gleichem Ruf, zu gleichem Thun sich einen
Sei jedem Volk sein heilig Recht gegeben
Das Recht der Sprache und der heimschen Sitten
Wie sie die Weltgeschichte jeden lehrt
Nichts Fremdes sei im Vaterland gelitten
Doch auch kein Tun, das nicht die Menschheit ehrt
Ein heilig Erbteil von Natur empfangen
Sei jeglichem die eigne Nation
Wohl mögen herrlich ihre Säulen prangen!
Doch hat die Menschheit einen höhern Thron
Vor diesen Thron solln sich die Völker neigen
Als Brüder, Schwestern sich die Hände reichen
Das ist der Menschheit neu errungnes Eden
Das Reich des Herrn, um das wir täglich beten
Ich weiß‘ nicht werd ich diesen Tag erleben
Wo zu der Liebe kehrt sich jeder Sinn
Wo sich ihr Reich alleinig wird erheben
Doch fühl ich mich als dessen Bürgerin
Dem Reich der Liebe will ich Bürger werben
Als Priesterin ihm leben und ihm sterben
Louise Otto-Peters, 1847