Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt
Heute muss die Glocke werden
Frisch Gesellen, seid zur Hand
Von der Stirne heiss
Rinnen muss der Schweiss
Soll das Werk den Meister loben
Doch der Segen kommt von oben

Nehmet Holz vom Fichtenstamme
Doch recht trocken lasst es sein
Dass die eingepresste Flamme
Schlage zu dem Schwalch hinein
Kocht des Kupfers Brei
Schnell das Zinn herbei
Dass die zähe Glockenspeise
Fliesse nach der rechten Weise

Weisse Blasen seh ich springen,
Wohl! Die Massen sind im Fluss.
Lasst’s mit Aschensalz durchdringen,
Das befördert schnell den Guss.
Auch von Schaume rein
Muss die Mischung sein,
Dass vom reinlichen Metalle
Rein und voll die Stimme schalle.

Wie sich schon die Pfeifen bräunen
Dieses Stäbchen tauch ich ein
Sehn wir’s überglast erscheinen
Wird’s zum Gusse zeitig sein
Jetzt, Gesellen, frisch
Prüft mir das Gemisch
Ob das Spröde mit dem Weichen
Sich vereint zum guten Zeichen

Wohl! nun kann der Guss beginnen
Schön gezacket ist der Bruch
Doch bevor wir’s lassen rinnen
Betet einen frommen Spruch
Stosst den Zapfen aus
Gott bewahr das Haus
Rauchend in des Henkels Bogen
Schiesst’s mit feuerbraunen Wogen

In die Erd ist’s aufgenommen
Glücklich ist die Form gefüllt
Wird’s auch schön zutage kommen
Dass es Fleiss und Kunst vergilt?
Wenn der Guss misslang?
Wenn die Form zersprang?
Ach! vielleicht indem wir hoffen
Hat uns Unheil schon getroffen

Bis die Glocke sich verkühlet
Lasst die strenge Arbeit ruhn
Wie im Laub der Vogel spielet
Mag sich jeder gütlich tun
Winkt der Sterne Licht
Ledig aller Pflicht
Hört der Pursch die Vesper schlagen
Meister muss sich immer plagen

Nun zerbrecht mir das Gebäude
Seine Absicht hat’s erfüllt
Dass sich Herz und Auge weide
An dem wohlgelungnen Bild
Schwingt den Hammer, schwingt
Bis der Mantel springt
Wenn die Glock soll auferstehen
Muss die Form in Stücke gehen

Jetzo mit der Kraft des Stranges
Wiegt die Glock mir aus der Gruft
Dass sie in das Reich des Klanges
Steige, in die Himmelsluft
Ziehet, ziehet, hebt
Sie bewegt sich, schwebt
Freude dieser Stadt bedeute
Friede sei ihr erst Geläute

Text: Friedrich Schiller (1799)

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1799 : Zeitraum: