I.

Aus Deinem Kerker klangen mir einst Lieder
Voll Liebeslust und wollten mich bereden
Selbst hinter Eisengittern sei ein Eden
Weil ich Dir Rosen warf durch sie hernieder

Als endlich wurde Dir die Freiheit wieder
Da ward ein Paradies von uns betreten
In dem der Liebe holde Geister wehten
Vereinigt klangen unsre Jubellieder

Vereinigt dienten wir des Hauses Laren
In süßer Liebe und im heil’gen Streben
Vereinigt auch für eine Welt zu leben

Wie wir im Unglück treu geblieben waren
Dem Schwur: der Freiheit Fahne zu entfalten
So haben wir ihn auch im Glück gehalten

II.

Noch einmal sprangen auf die Kerkerpforten
Die um den freisten Geist sich einst geschlossen
Zu neuer Freiheit führen neue Sprossen
Und „Sterben“ heißt es mit den Alltags-Worten

So wie ein Wintersturm aus kaltem Norden
Den Blumen naht mit tötenden Geschossen
So kam der Tod, das Glück, das wir genossen
Mit einem einz’gen Schlage hinzumorden

Jetzt bist Du frei und jetzt bin ich gefangen
Gefangen noch, allein auf öder Erde
Die Du verließt, mein herrlicher Gefährte!

Und möcht ich Dir wie einst am Herzen hangen
Mit Blumen schmücken Deine kahle Zelle
So leg ich sie auf Deines Grabes Schwelle

III.

Du hast im Kerker nicht den Mut verloren
Du wusstest es, daß Gott mit Dir geblieben
Mir und der Freiheit galt Dein freudig Lieben
Der Völkerfreiheit, der Du Dich verschworen

Wir fühlten für einander uns geboren
Und hatten uns der Ewigkeit verschrieben
Mich hat kein Kerker, hat kein Grab vertrieben
Steh‘ ich auch weinend jetzt an seinen Toren

Mit Schwert und Leier standest Du im Leben
Im Dienst der Freiheit, bist in ihm gestorben
Und hast des Helden Lorbeerkranz erworben

Und ruht das Schwert – die Leier kann ich heben
Am Grabe selbst steh ich erinnrungstrunken
Denn unsre Lieb ist nicht in ihm versunken

Louise Otto-Peters

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