Allein, allein! – die Liebe ist begraben
Ich selbst bin nur die bleiche Trauerweide
In deren Zweige sich verwandelt haben
Mein Liebesjubel, meine Liebesfreude
Und was mich sonst an andre Herzen band
Mich hieß als Epheu einen Stamm
Das hab ich all als nicht’gen Traum erkannt
Der Epheu muß allein im Freien schwanken
Allein, allein! doch Du bist mir geblieben
Die mit dem Kind zu Spiel und Fest gegangen
Die für der Jungfrau frühlingselig Lieben
Die Töne fand, die nur von Liebe klangen
Du, die mir ihren Zauberstab verlieh
Die Nacht zu hellen, wo sie mich umdunkelt
Du bist mir treu, bist mein, o Poesie
Sei auch der Stern, der diese Nacht mir funkelt
Ja, sei ein Stern an meinem Abendhimmel
Sei du mir selbst ein milder Hesperus
Doch in des Lebens, in der Zeit Gewimmel
Strahl Andern mit des Morgensternes Gruß
Ob abendlich mein Aug‘ in Tränen taut
Ob in mir Nacht – was brauchts die Welt zu wissen?
Die Welt, für die ein neuer Morgen graut
Der sie aus Traum und Schlummer aufgerissen?
Und diesem Morgen jauchz auch ich entgegen
Wo wir der Freiheit Sonnenaufgang feiern
Den heißen Erntetag, wo reichen Segen
Von langer Saat wir sammeln in die Scheuern
Das Los, das einer jungen Blüte fiel
Wer wird nach dem bei solcher Ernte fragen?
Ob sie verwelkt, geknickt an ihrem Stiel
Nehmt sie zum Festkranz auf den Erntewagen
Nein, nicht allein! – will mich auch niemand lieben
Will niemand meines Herzens Qual verstehen
Muß jedes Band zerreißen und zerstieben
Weithin zerflatternd in die Lüfte wehen
So nehm ich dieses Herz, das ungezähmte
Und leg es meinem Vaterland zu Füßen
Das sich um eines Menschen Schicksal grämte
Dies Herz soll nur dem Ganzen sich erschließen
Und an die Armen sei’s dahin gegeben
Die obdachlos vor prächtgen Häusern stehen
Und hungerbleich die leere Hand erheben
Auf die verächtlich stolz die Reichen sehen
Die kleine Münze, die ich euch kann geben
Ihr Armen lindert wenig Euren Schmerz
Doch hör‘ ich Euer Rufen, Euer Flehen
So fleh ich Euch: nehmt Ihr, nehmt Ihr mein Herz
O könnte ich aus allen Euren Jammern
Aus allen Freveln, die an Euch geschehen
Aus aller Not in Euren öden Kammern
Vor denen Laster als Versucher stehen
Könnt ich ein Lied aus diesem allen weben
Und könnt es laut auf allen Gassen singen
Da sollten wohl viel starre Herzen beben
Viel Augen übergehn, viel Ohren klingen
Nein, nicht allein! ich will nicht fürder träumen
Vom eitlen Herzen, das nach gleichem strebte
Will „Herz und Schmerz“ nicht – „Not und Brot“ nur reimen
Und will es büßen, dass ich selbst mir lebte
Mir gibt des Himmels Gnade doch die Lieder
Wenn er mir auch verweigert Gut und Gold
Was er mir gibt – den Armen sei es wieder
Mit treuem Sinn als Liebespfand gezollt
Louise Otto-Peters