Welche Veränderung das altberühmte, vielgesungene „Gaudeamus“ mit der Zeit erlitten hat, zeigt ein auf der Königlichen Bibliothek zu Berlin aufbewahrtes handschriftliches Studentenliederbuch. (Meusebach‘ s Sammlung 8028, S. 470) Da dieses nachweislich vor 1750 (zwischen 1723— 1750) entstanden ist, so enthält es die älteste bis jetzt nachgewiesene Fassung jenes Liedes: sie weicht von der heute allgemein verbreiteten beträchtlich ab und lautet:
Gaudeamus Igitur
Juvenes dum sumus
Post molestam senectutem
nos habebit tumulus
Ubi sunt qui ante nos
in mundo vixere
abeas ad tumulos
si vis hos videre
Vita nostra brevis est
brevi finietur
venit mors velociter
neminem veretur
Eine garstige Übersetzung ist beigeschrieben, davon der Anfang lautet:
Sammlet in den grünen Jahren
eurer Wollust Blümelein
Denn nach den verflossenen Jahren
müssen wir des Todes sein.
Auffallen wird hier die bloß vierzeilige Strophenform, wie sie auch die französische Handschrift von 1267 hat, während doch die Melodie auf fünf Zeilen hinweist. Statt Wiederholung der dritten Zeile wurde später eine neue Zeile eingeschoben.
Deutscher Liederhort III (1894, Nr. 1688 B, S. 489 „Die älteste Fassung des Gaudeamus“)