Es wollt ein Jäger jagen

»

Es wollt ein Jäger jagen

Es wollt ein Jäger jagen
Wollt jagen vor einem Holz,
Da gingen auf der Heide
Drei Dirnlein, die waren stolz

Die eine hieß Christeinlein
Die andre Madelin
Die dritt die hätt kein Namen,
Die führt der Jäger hin

Da nahm ers bei der Hande
Schwangs hinter ihn uf das Roß,
Er führts gen Angelberge
Gen Angelberg in das Schloß

Und da er gen Angelberg kam
Wohl unter das hohe Haus
Da lugt der edele Herre
Zu einem Laden heraus

Bis Gott willkummen, Jäger
Jäger, mein trauter Gesell
Hast mir das Tierlein fangen
Darnach ich so lang han gestellt

Ach Jäger, lieber Jäger
Führ mirs in mein Gaden
Und leg mirs an das Bette
Wol an mein weißen Arm

Sie lagen bei einander
Bis in die dritte Stund
Kehr dich, feins Lieb, herumme
Beut mir dein roten Mund

Ich kehr mich nicht herumme
Ich wär viel lieber daheim
Bei meiner lieben Mutter
Die ließ ich nächten allein

Ach Jäger, lieber Jäger
Nun führ sie unter das Tor
Und laß das Tierlein laufen
So ist als frisch als vor

Ach nichte, edler Herre
Und zahlent dem Tierlein sein Ehr
Es hat sie bei euch verloren
Und findt sie doch nimmermehr

Da zog er ab der Hande
Von Gold ein Fingerlein
Sieh hier du mein feins Mägetlein
Darbei gedenk du mein

Was soll mir das rot Goldfingerlein
So ichs doch nit tragen sollt
Vor Ritter und vor Knechten
Das Silber und auch das Gold?

Da zog sie ab ihr Kränzelein
Warfs in das grüne Gras
Ich han dich gerne tragen
Dieweil ich Jungfrau was

Auf hub sie wol ihr Kränzelein
Warfs in den grünen Klee
Gesegne dich Gott, mein Kränzelein
Ich seh dich nimmermeh

Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Deutscher Liederhort III (1894, Nr. 1435 „Jägers Fang für seinen Edelherrn“)
nach der Heidelberger Handschrift Nr. 109 (Krölls Handschrift von 1516)
Daher Görres, altdeutsche Volks- und Meisterlieder S. 181. Nach ihm Wackernagel, Kirchenlied 1841 S. 841. Wunderhorn I, 186. (Birlingers Ausgabe). Görres gibt einige Worte nicht getreu. —

Dass dieses Lied über einen Mißbrauch (womöglich ein Hinweis auf das „Recht der ersten Nacht“ bzw. Ius primae Noctis) zu einem Kirchenlied umfunktioniert wird, ist ein Beispiel, wie Geschichtsschreibung im Feudalismus funktioniert haben kann.

CDs und Bücher mit Es wollt ein Jäger jagen:

Anmerkungen zu "Es wollt ein Jäger jagen"

Angaben Böhmes: „Uhland (Schriften 3, 428) nennt das Lied mit Recht „eine schamlose Jägerballade“ und zitiert daraus bloß die Klage der Unglücklichen, die ihren Kranz verliert. — Im 16. Jahrhundert war das Lied sehr beliebt und mag es schon aus dem 15. Jahrhundert stammen. Ob ihm eine wahre Tatsache zu Grunde liegt, läßt sich nicht nachweisen, aber aus der Angabe des Ortes (Angelberge) vermuthen. Angelberg ist ein Marktflecken mit altem Schloß im Allgäu.

Daß dieses unsaubere Jägerlied zu einer geistlichen Umdichtung (einem Adventliede „Der geistliche Jäger“ genannt! Anlaß geben und dieses im katholischen Gesangbuch des 16. u. 17. Jahrhunderts gedruckt werden konnte, begreifen wir heutzutage nicht. Vergl. W. Bäumker I, S. 260 u. 361. W. K. II, 1137.) Auch eine Protestantische Umdichtung gibts von Knaust 1571 : Glaube, Liebe und Hoffnung (Uhland S. 875)“

Anmerkung: Schloß Angelberg wurde um 1228 erstmals erwähnt, am 22. April 1525 im Bauernkrieg zerstört, anschließend wiederaufgebaut und nach 1742 abgebrochen.  Der Schwäbische Bund regelte im Jahre 1516 die Rechte und Pflichten der Untertanen des Schloßherrn neu, das Jahr indem auch dieses Lied schriftlich aufgezeichnet wurde und womöglich auch entstand. Bemerkenswert, dass Schloß Angelberg keine zehn Jahre (1525) nach der schriftlichen Quelle von wütenden Bauern zerstört wird. (M.Z.)

Forster V, 1556 Nr. 14, Tonsatz von J. v. Brandt:

Zweite Melodie zu Es wollt ein Jäger jagen
Forster V, 1556 Nr. 14, Tonsatz von J. v. Brandt

Frei nach dem Paderborner Gesangbuch von 1617 (Böhme):

Dritte Melodie zu Es wollt ein Jäger jagen
Frei nach dem Paderborner Gesangbuch von 1617 (Böhme)