Es saß auf grüner Heide
Ein Schäfer grau und alt
Es grasten auf der Weide
Die Schäflein längs den Wald
Sonne noch einmal blicke zurücke
Der Schäfer krumm und müde
Stieg bei der Herde her
und wenn die Sonne glühte
Dann war sein Gang so schwer
Sonne noch einmal blicke zurücke
Sein Mädchen jung und schöne
Sein einzig´s Töchterlein
War vieler Schäfer Söhne
Ihr einziger Wunsch allein
Sonne noch einmal blicke zurücke
Doch Einer unter allen
Der edle Faramund
Tät ihr allein gefallen
In ihres Herzens Grund
Sonne noch einmal blicke zurücke
Es hatte ihn gebissen
Ein fremder Schäferhund
Sein Fleisch war ihm zerrissen
Sein Fuß war ihm verwund´t
Sonne noch einmal blicke zurücke
Sie gingen einmal Beide
Im Walde hin und her
Eins an des andern Seite
Das Herz war jedem schwer
Sonne noch einmal blicke zurücke
Sie kamen nah zur Heide
Allwo der Vater saß
Es trauerten an der Weide
Die Schäflein in dem Gras
Sonne noch einmal blicke zurücke
Auf einem grünen Rasen
Stand Faramund starr und fest
Die bangen Vögelein saßen
Ganz still in ihrem Nest
Sonne noch einmal blicke zurücke
Er fiel mit blanken Zähnen
Sein armes Mädchen an
Sie rief mit tausend Tränen
Ihn um Erbarmen an
Sonne noch einmal blicke zurücke
Das bange Seelenzagen
Hört nun der Vater bald
Des Mädchen Ach und Klagen
Erscholl im ganzen Wald
Sonne noch einmal blicke zurücke
Der Vater steif und bebend
Lief langsam stolpernd hin
Er fand sie kaum mehr lebend
Ihm starrte Mut und Sinn
Sonne noch einmal blicke zurücke
Der Jüngling kehrte wieder
Von seiner Raserei
Und fiele sterbend nieder
Zog Loren s Haupt herbei
Sonne noch einmal blicke zurücke
Und unter tausend Küssen
Flog hin das Seelenpaar
In matten Thränengüssen
Entflohn sie der Gefahr
Sonne noch einmal blicke zurücke
Nun wankt in Seelenleiden
Der Vater hin und her
Ihn fliehen alle Freuden
Kein Sternlein glänzt ihm mehr
Sonne noch einmal blicke zurücke
Text: Lied in: Johann Heinrich Jung (genannt Jung-Stilling), Augewählte Werke, Band I: Jugend, ca. 1778
Musik: ?
u.a. in Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen (1843)