Es fuhr ein Fuhrknecht über den Rhein
er kehrt beim jungen Pfalzgrafen ein
Ach Pfalzgraf lieber Pfalzgraf mein
wo hast dein adlich Schwesterlein
Was fragst nach meinem Schwesterlein
sie wird dir wohl viel zu adlich sein
Soll sie mir viel zu adlich sein
sie hat fürwahr ein Kindlein klein
Hat sie fürwahr ein Kindlein klein
so soll sie nimmer mein Schwester sein
Da ließ er spannen sechs Roß an Wagn
und ließ gar bald sein Schwester herfahrn
Als nun die Gräfin gefahren kam
der jung Graf ihr entgegen sprang
Gott grüß dich Schwester hübsch und fein
wo hast dein artlich Kindelein
Ich hab fürwahr kein Kindelein
die Leut die gehn mit Lügen auf mich ein
Er nimmt sie bei ihrer schneeweißen Hand
und führt sie nach Holland zu dem Tanz
Er tanzt am Winter die lange Nacht
bis daß ihr die Milch zur Brust ausbrach
Ach Bruder hör auf denn es ist genug
daheime weint mein Fleisch und Blut
Er nimmt sie an ihrem schneeweißen Arm
und führt sie in die Kammer daß Gott erbarm
Er tritt sie am Winter die lange Nacht
bis daß man Lung und Leber sach
Ach Bruder hör auf denn es ist genug
es gehört dem König von England zu
Ach Schwester hättst dus mir ehr gesagt
was hätt ich fürn lieben Schwager gehabt
Es stund wohl kaum drei Tage an
der König von England geritten kam
Gott grüß dich Pfalzgraf hübsch und fein
wo hast dein adlich Schwesterlein
Mein Schwesterlein ist lange todt
sie liegt begraben röslinroth
Liegt sie begraben röslinroth
so mußt du leiden den bittern Tod
Da zog er aus sein glitzrig Schwert
und stachs dem Pfalzgrafen durch sein Herz
Er stachs ihm ins Herz so tief als er kann
Sieh an das hast deiner Schwester gethan
Er nahm das Kindlein wohl auf den Arm
Jetzt habn wir keine Mutter mehr daß Gott erbarm
Er wiegt das Kindlein in süße Ruh
und ritt mit ihm nach England zu
Text und Musik: Verfasser unbekannt – von Goethe 1771 im Elsaß aufgezeichnet.
((Vgl. A. Schöll, Briefe und Aufsätze von Goethe aus den Jahren 1766–1786. Weimar, 1846. S. 124.)
in Deutscher Liederhort (1856, Nr. 45 „Der grausame Bruder“)
Mit zwei Melodien, die erste ist beschwingt-fröhlich, im 6/8-Takt mündlich aus Schlesien überliefert. Sie scheint eher zu dem Trinklied mit der gleichen Anfangsstrophe zu gehören. Die zweite Melodie aus dem Elsaß im 2/4-Takt erinnert an das Lied Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht. Überhaupt scheint die Anfangsstrophe nicht recht zu der Geschichte passend. Hat hier eine Verwechslung aufgrund der Liedanfänge statt gefunden? Bemerkenswert auch, dass der Bruder mit seiner Schwester nach Holland fahren will, doch wohl, um das Kind zu töten?