Von üppiglichen Dingen
so will ichs heben an
ein Abenteuer singen
die ich gesehen han
Es gschach an einem Tanze
an einem Abend spat
da sah ich umbher schwanzen
ein Magd mit ihrem Kranze
gar glatt von statt, in hübscher Wat
die Magd was grad
der Baur trug an ein Panzer
der mit ihr umbher trat
Zu tanzen hat er Willen
zu fechten hat er Lus
Im Kopf da Hätt er Grillen
Er stieß Ein an sein Brust
Wo er Ein‘ mocht bekommen
Den nächsten, den er sach
Er macht gar viel des Krummen
Nach Art und Weis der Dummen
Ihm geschach sehr gach
Noch Ungemach
Schlag, Stich und Rach
Hätt er ihm fürgenummen
Zu leben manigfach
Er zog selbs uf ein Reien
Wohl zu derselben Fahrt
Damit er sich kunnt zweien
Mit seiner Widerpart
Zu dem trug er ein Grollen
Den stieß er mit Gefähr
Hieß ihn damit ein Knollen,
Ein Trunken und ein Bollen
Er wär nit leer, Ein Datarer
Und flucht ihm sehr
Damit schlug er den Trollen
Wol nieder h der Schwer.
Da kam sein Bruder Steffel
Der lief ihm untern Spieß
Und trug ein freies Scheffel
Sprach: „Des Hab ich Verdrieß
Tut dich der Buckel jucken
So reib dich her an mich
Du meinst, du wöllst uns drucken?“
Sein Säbel tät er zucken:
„Hüt dich!“ sag ich, Tritt hinder sich
Kein Wort nit sprich!
Ich hau in dich ein Lucken
Und gib dir einen Stich!“
Von ferren schrei sein Vetter
Der höret diesen Strauß:
„Fürwahr sind da nit Retter
So wird ein Hader drauß
Als köpfig ihn ich schätzen
Mein Ohem Haimeran
Er laßt sich Niemand tretzen
Wann er ist bei der Metzen
Kumbt dann alsan, Wer fechten kann
Lats Rädlin gan
Eh er sich dann lat setzen
Facht er ein Jammer an
Da reget sich Herwider
Der Erst, der vor ihm lag
Er sprach: „Ich sei nit bieder
Wann ich dirs halt vertrag!
Es bleibt nit ungerochen
Wohl von den Freunden mein,
Darumb so laß dein Pochen!
Du wirst von uns erstochen
Steck ein, laß sein! Behalt das Dein
In deinem Schrein
Geh heim und laß dir kochen
Dafür ein dicken Brein!
Das tät dem Üppigen Zoren,
Er tobet fast als eh
Er sprach: „Ich will rumoren
Ich acht nit, was es gsteh
Ich Hab in meinem Stalle
Zwei Roß und zehen Rind
Die will ich wagen alle
Ich gib dir Eins auf d‘ Schnalle
Geschwind, nit lind. Daß du wirst blind
Du Hurenkind
Geh hin und nimmer kalle
Eh ich dirs Maul verbind
Erst hob sich ein Scharmützlen
Wie in eim wilden Heer
Ein Rauschen und ein Glützlen
Von Harnisch und von Gwehr
Kurzweil tat ihn verlöschen
Schlugen, als wolltens dreschen
Einer schrei: Herbei, was frutig sei!
Da zwen, da drei
Gaben einander Bleschen
Das dauschet wie das Blei.
Es Hub ein Weib gar sehre
Waffen zu schreien an
„Ach heut und immer mehre!
Wo ist doch unser Mann?“
Da sprach das kleine Gredel:
„Dort liegt er in der Rot
Und hat ein Loch im Schädel
Gehackt in bösem Wedel.“
,Ach Gott, nit lat! Bringt vor seim Tod
Vom Backen drat
Ein neugebackens Flädel
Sein Kraft er wieder hat
Der Amtmann was unfrutig
Er wollt nit bieten Fried
Bis sie all wurden blutig
Zuletzt da half es nit
Mit Drischlen, Messern, Stangen
Mit Schwertern schlugens dar
Durch Köpf, Maul, Nas und Wangen
Und was einr mocht erlangen
Sie zwar als bar Bezahlten gar
Ihr keiner nahm wahr
Wo jeder lag am Rangen
Glück het an ihn sein Spar.
Ihr wurden viel versehret
Verwundt bis in den Tod
Ihr Freud sich da verkehret
In Jammer und in Not
Ihr einen mußt man laben
Die Sach was gar verheit
Den andern gar vergraben
Der Dritt trug viel des Blauen
Das geit der Neid Zu solcher Zeit!
Im Widerstreit
Von solchen öden Knaben
Das mancher nieder leit!
Zwar solcher Zank und Hader
Verdirbt die Herrschaft nit
Den Richter und den Bader
Und auch den Pfarrherr mit
Die Bier sein wohl genießen
Viel baß dann der ist wund
Es tut ihn‘ wohl ersprießen
Den Freutigen Verdrießen
Bei Bund zu Stund tut man ihn‘ kund
Den rechten Grund
Zu dädigen und zu büßen
Geben sie mannich Pfund
Der diesen Strauß erdichtet
Und zu eim Lied hat gmacht
Der hat es wohl besichtet
Und eigentlich betracht
Daß er sich meint zu hüten
Wohl vor der Bauren Schar
Dann wann sie werden wüten
So hilft an ihn‘ kein Güten
Ganz gar fürwahr kam einer dar
Er würd sein gwahr:
Macht er ihr einen bluten
Er müßt da lassen Haar
Text: Gedichtet von Hans Hesselloher, 1471 Sandrichter zu Pahl in Oberbayern
MusiK :Melodie 1538 aufgeschrieben
in Deutscher Liederhort III (1894, Nr. 1534. „Erlebnisse beim Bauerntanz“)
CDs und Bücher mit Von üppiglichen Dingen (Erlebnisse beim Bauerntanz):
Anmerkungen zu "Von üppiglichen Dingen (Erlebnisse beim Bauerntanz)"
Zum Text:
l, l: üppig, in der altern Sprache — nichtig, leer, unnütz
1, 3 Abenteuer, jetzt Neutrum, früher Fem. (Grimm, Wtb. I, 27) mlt. aventura, gefahrvolles Ereigniß, Wagniß, auch Scherz überhaupt
1, 7 schwänzen, müßig oder stutzerhaft einhergehen, den Leib auf gezierte Weise schwanken lassen
1, 9 glatt von statt, flink vorwärts
1,10: Wat, Gewand.
1, 11 grab (krat), in älterem Sprachgebrauch hurtig, behende.
1, 13: umhertreten, den getretenen Tanz ausführen.
2, 5 einen möcht bekommen, finden, mit dem er Händel anfangen kann.
2, 9 gach, eilig, hastig.
2, 12 hatte er sich vorgenommen.
3,1 Bar.: Er führt ein langen Reihen.
3, 3 zweien, entzweien.
3, 6 mit Gefähr, mit Absicht.
3, 10 Datarer, ein alberner Plauderer, Stotterer, von dadern, stottern; bei Uhland Schnopfezär, Schluchzer.
3, 12 Troll, grober Kerl.
3, 13 nach der Schwer, wie das Senkblei schnurgerade nieder.
4, 3 freies Scheffel, tüchtiges Maß.
4, 4 Verdrieß, Verdruß.
4, 5 Bar.: so lehn dich her an mich.
4, 12 Lucken, Lücke, Loch.
5, 3 Retter, Abwehrer, die Hilfe verschaffen.
5, 5 köpfig, köpfisch, starrköpfig.
5, 7 tretzen, tratzen, necken, foppen, zum Zorn reizen.
5, 8 Metze, ält. Spr. Mätz weibl. Taufname, Matzl, ein Liebkosungswort gegen Mädchen; später für liederliche Weibsperson, Hure gebraucht.
5, 9 alsan, allessant, alles zusammen.
6. 4 vertragen. Einem etwas hingehen lassen, vergeben.
6, 13 Breie, Brei, bes. Hirsebrei.
7, 1 Zoren tun – Zorn erregen.
7, 12 fallen, bellen, kläffen, verächtlich für sprechen.
8, 3 Glützeln, Glitzeln, mhd. gliz, Lichtglanz, Blinken der Waffen.
8. 8 frutig. mh. vruot, vruotec, klug, munter, hurtig.
8, 12 Bleschen, Bläschen, Schläge.
8, 13 dauschen, tuschen, mit dumpfem Klatschlaut erschallen.
9, 2 Waffen! Waffen! Ausruf bei drohender Gewalttat, Hilferuf, Racheschrei.
9, 8 Wedel, Bewegung, Unruhe.
9, 11 drat, schnell, bald.
9, 12 gebacknes Flädel, Kuchen.
10, 1 unfrutig, nicht klug, nicht munter genug.
10, 5 drischeln, dreschflegeln.
10, 12 am Rangen, im Ringen.
10, 13 Spar, mhd. sparn, schonen, erhalten.
11, 6 verheien (schwäbisch) verderben.
11,8 des Blauen, blaue Flecke.
11,9 geit, gibt.
11, 12 öde, unergiebig, nichtsnutzig.
12, 8 bringt den unverdrossenen, kämpfenden Bauern Verdrießlichkeiten.
12, 12 dädigen (Uhland dädingsweis zu büßen). Das Taiding, Tading, Teiding heißt die Anberaumung eines Tages zur gerichtlichen Verhandlung, die Gerichtsverhandlung selbst.
13, 1 Strauß, Kampf.
Der Ton dieses Liedes, das aus dem 15. Jahrhundert stammt, war bis Ende des 16. sehr beliebt und wurde zu Um- und Nachdichtungen verwendet, besonders zu Spott- und Strafgedichten vorgezeichnet; davon einige Beispiele:
a) Ein Lied auf die Pest, eine Art Totentanz steht 1516 in Simprecht Krölls Handschrift (Heidelberger Handschrift 109). Überschrift: „Von üppiglichen Dingen, geistlichen zu singen.“ Anfang nach WK. II, 1052: Von wunderlichen Dingen, so will ich heben an, die uns groß Kumer bringen, als ichs verommen han. Von einem argen dantze den Gott verhenget hat …
b) Ain newes lied von den faulen hawssmayden, in dem thon von üppigklichen dingen. (Heidelberger Handschrift 109), Bl. 129. Ged. von Matth. Wurgenbock. Abdr. Mone, Anz. 1838, Sp. 38S. Anfang: „Von einer faulen dieren, so wil ichs heben an“. Fliegendes Blatt um 1600: „Ein Lied von einer faulen Diernen, Im Thon Von üppigklichen dingen.
Anfangsstrophe:
Von einer faulen Diernen
ihr Wappen zu visieren
wie ichs gesehen han
von einem Bett her wüschen
des Morgens früh vor Tag
Sie stund bey einem Tische
und solt ein Taig einmischen
ich lag und sach, wie sie da pflag
beym Brundelbach
nach den Flöhen umbfischen
dass ich des Taigs nit mag
Wieder dient dieser Text als Tonangabe zu andern Liedern ; z. B. „Ein neues Lied von dem Rebellischen Paurenkrieg zu Langenleuß (in Oesterreich) 1597. Im thon wie man singt: von einer faulen Diern, so wil ichs heben an.“ Anfang: Weil Rusticus der Paur. (Text in Karajans Frühlingsgabe, S. 53 s. Uhland 4. 230.)
c) Lied auf den Bauernkrieg und Erstürmung Würzburgs 1525. Wolff, S. 236. Liliencron 380; Von seltzamen geschichten singt jetzund jedermann … –
d) Spottlied auf Dr. Murner, als Teilnehmer am Religionsgespräch zu Baden 5. Mai 1526. Text mit Melodie bei Forster II. 1540, Nr. 56:
„Von üppigklichen dingen
so wil ichs heben an,
ein abentheuer zu fingen
die ich erfaren han,
Von einer grauen katzen
nit fer im Oberland
Zu Baden kunt sie schwatzen
ja auf die disputatzen
ist wol bekant im grau gewand
ist ir ein schand
al Welt kan sie wol fatzen:
Murmann ist sie genant.“
e) Satire gegen die Geistlichen 1526 WK. Nr. 813. MK. 395): „New zeitung vnd spigel aller Gastlichkeit, wie Sie ist, vnd sein sol, wa nit im Wesen, doch im gegenthail. Gestellt zu fingen auff die Melodey, Von üppigklichen dingen.“ Anfang: Groß frewd zwingt mich zu singen diß christlich schön gedicht «. (Strophenform 9zeilig).
f) Ein hübsch Neuw Lied, Von der Narrenkappen, Im thon, Vonn üppiglichen dingen gar lustig zu fingen.“
Anfang:
Ihr Herren wend ihr schweigen
und hören ein Faßnachtspil
merckt von den schönen Weiben
und wie sie stecken ein Ziel
wann sie der Buhlschaft pflegen
sie greifens weislich an
schuppen manchen kühnen degen
und wann er ist erlegen
sein täsch muoß vor daran.
Dieses lustige Lied, die „weltliche Narrenkappe“, steht schon in der Wiener Handschrift 3027 vom Jahr 1494 „Dy narren kappen.“ Anfang: „Ir Herren wolt ir schweigen und hören ein fastnachtspil….“ — Es wurde bei Zechgelagen zu Fastnacht und Neujahr gesungen und bekamen darin die Buhler aus allen Ständen die Narrenkappe geschenkt.
g) Die Narrenkappe geistlich. (Münchner Cod. germ. 808. Bl. 8. um 1505 geschrieben — Handschrift zu Kloster Neuburg 1228. BI. 37, — Bal. Holss Hdschr. 1525, Bl. 166. Danach WK. II, 1291. Drucke s. Weller. Annalen 232)
Die jungen tummen Lappen
die singen ain gedicht
Von einer narren kappen
die handt sie zugericht:
sie singents hin und here
und singens offenpar
Ich meine, ich weiß verkeren
wollt man sy geren hören
gen diesem newen jar.
Die Strophenform der beiden Narrenkappenlieder ist neunzeilig, die 13zeilige vom Bauernlied ist derart gekürzt, daß die 4 letzten Reime wegbleiben und die Form der Dollerweise gleich ist.
"Von üppiglichen Dingen (Erlebnisse beim Bauerntanz)" in diesen Liederbüchern
Text:
- a) Münchner Cod. germ. 379. 15. Jahrh. (1454 geschrieben); danach Uhland 249.
- b) Wiener Handschrift Nr. 3027 v. Jahr 1494 Bl. 172b mit Melodie
- c) Fliegendes Blatt Nürnberg, Jobst Gutknecht o. J.(1515 – 1536), Moderner Abdruck: Erk, Wunderhorn. 4, 312.
- d) Ambraser Liederbuch 1582, Nr. 129. Beide letzte Quellen ziemlich gleich, aber vom alten Text etwas abweichend.
- e) Text wie hier (mit Melodie) in 65 Lieder. Straßburg, Schöffer und Apiarius 1537, Nr. 62. Stimmt ziemlich mit dem alten Text bei Uhland. Die Melodie auch bei Forster II, 1540. Nr. 56. Ebenso in: Trium vocum cantiones Centum, Noribergae 1541, Nr. 49 mit dem Anfange „Do kam der Bruder Stoffel.“ Melodie noch bei Werlin, Handschrift. von 1546. Die Melodie war Volkstanzweise, wenigstens tanzte man den „Hesselloher“ (Altdeutsches Liederbuch S. 560).