Eine Jungfrau ward erzogen,
Hieß mit Namen Isabell
Und sie schoß mit Pfeil und Bogen
Akkurat wie Wilhelm Tell
Sie war stolz und sie war spröde.
Sie war kalt bei Lieb und Scherz.
Darum ging im Land die Rede,
Daß sie hätt‘ ein steinern Herz.
War ein Held in dem Gebirge
Mit dem Namen Eduard.
War ein Ritter voller Würde,
Der sie liebte bis ins Grab
Schenkt‘ ihr noch ein weißes Füllen,
Täglich einen Rosenstrauß.
Aber nichts beugt‘ ihren Willen,
Und sie lachte ihn nur aus.
»Ach, du spottest meiner Schmerzen«
Seufzte er und spürt‘ den Hohn.
Doch in ihrem stolzen Herzen
Schwieg sie nur und ging davon
»Geh nur hin, du stolze Schöne
Du wirst deinen Stolz bereu‘ n!
Nie wirst du mich wiedersehen
Aber fühl’n der Liebe Pein!
Einst ritt sie auf einer Schecke
Als die Jäg’rin durch den Wald.
Da erblickt‘ sie mit Erschrecken
Eines Bären Kraftgestalt
Schnell riß sie sich da zusammen
Denn sie war ein mutig Weib,
Und sie schoß mit ihrem Pfeile
jetzt den Bären durch den Leib.
Nun mit einem Jubellachen
Eilt sie zu der Beute hin. —
Da erblickt‘ sie Eduarden
In dem Bärenfelle drin.
Doch er konnte nicht mehr sprechen,
Denn sein Auge brach der Tod
Nur so konnte er sich rächen
Und versetzte sie in Not
Und der Leichnam ward begraben,
Schnell der Erde anvertraut,
Eine kleine Waldkapelle
Ward auf seinem Grab erbaut
Doch es dauert kaum drei Wochen,
Sie von Gram verzehret ward
Und man legte ihre Knochen
Zu dem Staub von Eduard.
Text: Verfasser unbekannt, um 1779. Dem Lied liegt das Gedicht »Odoard und Isabelle« von Gottfried Konrad Pfeffel zugrunde. Von Pfeffel ist auch »Gott grüß Euch, Alter, schmeckt das Pfeifchen?« und »Wer ist ein freier Mann?« Seine Gedichte erschienen zuerst im Vossischen Musenalmanach 1779, zehn Jahre später noch einmal in Pfeffels »Poetischen Versuchen«.
in Traurig aber wahr (1931) – Lieder aus der Küche (1957, ähnlich)