Ein Winzer, der am Tode lag,
rief seine Kinder an und sprach:
„In unserm Weinberg liegt ein Schatz,
grabt nur danach!“-„An welchem Platz?“
schrie alles laut den Vater an.
„Grabt nur!“ O weh! da starb der Mann.
Kaum war der Alte beigeschafft,
so grub man nach aus Leibeskraft.
Mit Hacke, Karst und Sparten ward
der Weinberg um und um geschart.
Da war kein Kloß, der ruhig blieb;
man warf die Erde gar durchs Sieb
und zog die Harken kreuz und quer
nach jedem Steinchen hin und her
Allein, da ward kein Schatz verspürt,
und jeder hielt sich angeführt.
Doch kaum erschien das nächste Jahr,
so nahm man mit Erstaunen war,
daß jede Rebe dreifach trug.
Da wurden erst die Söhne klug
und gruben nun jahrein, jahraus
des Schatzes immer mehr heraus
Ihr Leutchen, Schatzegräberei
ist just nicht immer Narretei
Text: Gottfried August Bürger (1787)
in: Als der Großvater die Großmutter nahm (1885)