Die Sonne ist verblichen
die Stern seind aufgegang
Die Nacht die kommt geschlichen
Frau Nachtigall mit ihrem Gsang
Der Mond ist aufgegangen
redt sich ein Wächter gut
und welcher hat Verlangen
und ist mit Lieb umfangen
der mach sich bald auf die Fahrt
Und das erhört ein Geselle
Der schrie dem Wächter zu:
„Ach Wächter, traut Geselle,
Gib deinen Rat darzu.
Wie ich das soll angreifen
Dass ich käm vor die Thür! “
,Gar heimlich soll du schleichen,
Eh der Wächter tät pfeifen.
Daß man dich gar nit spür‘
Der Knab unverborgen
Für ihr Schlafkämmerlein
Er sprach zu ihr mit Sorgens
»Zart schönes Jungfräulein,
Neu Mär will ich euch sagen.
Da ich kein Zweifel han:
Es leit sich einer im Hage,
Der führt ein schwere Klage,
Es mag euer Buhle sein.“
Die Jungfrau sprach mit Sinnen:
„Es hat dich sonst gedeucht,
Der Mond hat mir geschienen
Die Stern han mir gekeucht/“ —
„O zartes Jungfräulein
Ich sag euch das für wahr:
Er liegt in grüner Aue,
Sein Leib ist ihm zerhauen
In großen Treuen zwar.‘
Die Jungfrau erschrack sehr
Ihr Herz was Leides voll
Sie wollt kein Freud mehr hören
Botschaft gfiel ihr nit wohl
Ein Hemd tät sie umschnüren
Ein Hemdlein das was weiß
Den Knaben sie erblicket
Ihr Herz vor Freud erquicket
Gehrt ihn mit ganzem Fleiß.
Der Knab der tät sich schmucken
Gar freundlich an ihre Brust
Sie tät den Knaben drucken
Mit ihrem freundlichen Kuß
Der Knab fing an zu ringen
Mit dem Jungfräulein zart
Der Wächter an der Zinnen
Fing an ein Lied zu singen
Eine schöne Tageweis:
Gsegn dich Gott im Herzen
Zart edles Frewelein
Du bringst meim Herzen Schmerzen
Es mag nit anders sein
Von dir muß ich mich scheiden
Zart edles Frewelein!
Ich schwing mich über die Heiden
In Braun will ich mich kleiden
Durch Veil und grünen Klee
Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 806)
Der älteste Druck zwischen 1515— 1530 fl. Bl, bei Jobst Gutknecht, bringt entstellende Druckfehler, die 6. Str. unvollständig und folgende Strophe vor der 7.: „Der Wächter an der Zinnen der sang sein Melodei: Die Nacht fährt uns von hinnen, es muß geschieden sein. Scharfe Windlein thun sich wehen, schön leuchtet die Morgenröth. Das Fräulein das ward jehen (redend) : „Der Tag der thut sich nähen, erst muß ich leiden Noth.“
Die weltliche Melodie wurde zu geistlichen Texten benutzt: Auch zu dem historischen Liede auf den Kurfürsten Friedrich von Sachsen 1547 diente die Singweisc Forsters (s. v. Lilicncron. hist. VL. Nr. 588 und Töne Nr. 24)