Die niederländschen Herren (Schlacht bei Sempach)

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Die niederlendschen Herren
Die zeugent ins Oberland
Went sie derselben Reise pflegen
Sie sönt sich baß bewahren
Sie söllent Vicht verjehen
Von handhaften Schwizern
Ist ihnen gar weh beschehen

Wo ist denn der Pfaffe
Der uns nun dichten soll?
Zu Schwiz ist ers gesessen
Er kann üch dichten wohl
Er kann wohl Büße geben
Mit scharpfen Hallenbarten
So gibt man üch den Segen

Das ist ein scharpfe Buße
Herr pie domine
Die wir nun tragen müßen
Das tut uns iemer weh
Wir müßtens iemer klagen
Daß wir die herten Buße
von Eidgnossen müßen tragen

Von Luzern und Ure,
(von Schwiz und Unterwalden)
Viel meng gut Biedermann
In Sembach vor den Walde
Do ihnen der Löw bekam
Sie warent hochgemeit
,Her, Löw! Wiltu hie fechten
Es ist dir unverseit

Do sprach der Löw zum Stiere:
Du fügst mir eben recht
Ich han auf dieser Heide breit
Gut Ritter und ouch Knecht
Ich will dichs wüßen lan
Daß du mir hast vor Loupen
Gar viel zu Leid getan

An dem Morgarten
Da erschlugt mir mengen Mann
Ich will es dir hie vergelten
Ob ichs gefügen kann
So ruck har zuhar baß
Daaa dich derselbe Pfaffe
vichte bester baß

Der Löw begonde zu rußen
Und schmucken sinen Wadel
Do sprach der Stier zum Löwe:
Wöll wirs versuchen aber?
So tritt har zuhar baß
Dass diese grüne Heide
Von Blute werde naß

Sie begonden zsammen tretten
Sie griffents fröhlich an
Bis dass der selbe Löwe
Gar schier die Fluchte nahm
Er floch hin bis an den Berg:
War wiltu? richer Löwe?
Du bist nit Ehren Wert

Wiltu mir hie entwichen
Uf dieser Heide breit?
Es stat dir lasterlichen
Wo man es von dir seit
Es stat dir übel an
Du hast mir hie verlassen
Gar mengen stolzen Mann.

Dinen Harnesch guten
Hast du mir hie verlan
Darzu Zechen Houptpanner
Sie steckent uf diesem Plan
Es ist dir gar ein Schand
Ich han dirs angewunnen
Mit ritterlicher Hand

Die von Mümpelgarten
Und die von Ochsenstein
Man muß ihrn lange warten
Eb sie komment heim:
Sie sind ze tod erschlagen
In Sempach vor dem Walde
Liegent sie vergraben

Martin Malterer von Friburg
Mit sinem krusen Bart
Darzu die von Hasenburg
Hieltent uf der Fahrt
Und viel der Oettinger
Und ander Landesherren
Den was die Reis zu schwer

Die von Bremgarten
Und die von Winterthur
Und ander Landesherren
Den ward der Schimpf zu für
Von Brugg und ouch von Baden
Ein Kuh mit ihrem Schwanze
Hat ihren viel erschlagen.

Kuh Blümle sprach zum Stiere
Ich muß dir iemer klagen
Mich wollt ein schwäbscher Herre
… gemulken haben
[Ich schlug ihn in den Graben]
Ich schlug ihn dass er lag
Ich schlug ihn da noch mehre
Dass ihm der Kopf verbrach

Nun sprach der Stier zum Löwe
Nun bin ich bei dir gewesen
Da hast mir dick gedreuet
Ich bin vor dir genesen
Nun kehr du wiederumb heim
Zu diener schönen Frauen
Din Ehr sind wahrlich klein

Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 231 „Die Schlacht bei Sempach“)

Text nach Uhland Nr. 160 von Liliencron Nr. 33 und Tobler II, S. 10. Ihre Quellen waren: Melchior Ruß, Eidgenössische Chronik, geschrieben im Jahr 1482, herausg. von Jos. Schneller, Bern 1834, S. 197, und eine Abschrift aus Usteri’s Handschr. Sammlung auf der Züricher Bibl. (9 Strophen).

Liederthema:
Liederzeit: vor 1386 : Zeitraum: ,
Orte:
Geschichte dieses Liedes:

CDs und Bücher mit Die niederländschen Herren (Schlacht bei Sempach):

Anmerkungen zu "Die niederländschen Herren (Schlacht bei Sempach)"

  • 1 Löwe ist das Wahrzeichen der Österreicher, Stier das der Schweizer
  • 1,3 Reise pflegen, einen Heerzug unternehmen.
  • 1, 4 sie sollten sich besser vorsehen.
  • 1, ö Bichte verjehen = Beichte sagen, eingestehen, dass …
  • 2, 2  bichten = Beichte hören
  • 3, 4 iemer = immer
  • 4, 5 bekam = herkam
  • 4, 8 unversait = unversagt
  • 5, 6 Loupen = Laupen, die Schlacht dort geschehen 21. Jan. 1339. Sieg der Berner über Österreich
  • 6, 1 die Schlacht bei Morgarten am 15. Nov. 1315, in welcher Schwyz, Uri und Unterwalden den Herzog Leopold von Österreich besiegten
  • 6, 5 Ruck her = komm näher heran
  • 7, 1 Der Löwe begann zu rauschen
  • 7, 2 Wadel = Wedel, Schwanz.
  • 7, 4 aber, abermals
  • 8, 6 Wohin willst du, reicher Löwe? —
  • 9, 4 Flucht steht dir schandbar. —
  • 10, 2
  • Verlan, gelassen, verloren.
  • 10, 3 Zechen, Feldzeichen … stecken auf diesem Kampfplatze
  • 10, 6 ich Hab sie dir abgewonnen
  • 12, 2 krusen, gekräuselter Bart.
  • 12, 4 hielten, blieben zurück auf der Fahrt. —
  • 12, 7 der Heerzug war ihnen zu schwer.
  • 13, 4 der Spaß war ihnen sauer.
  • 13, 7 hat ihrer (der Feinde) viele erschlagen (spöttisch).
  • 14, 1 die Kuh mit ihrem Namen Blümle — die Schweiz.
  • 14, 8 verbrach = zerbrach.
  • 15, 3 dick gedreuet, oft gedroht.
  • 15, 7 deine Ehren sind gering, du hast die Schlacht verloren.

Der Chronist Ruß bezeichnet sein altes Lied als dasjenige, welches „nach der Schlacht“ gesungen wurde, um es wie es scheint von einem andern damals schon bekannten zu unterscheiden, das Hans Halbsuter zugeschrieben wird, und welches beginnt: Im tusend und drühundert und sechs und achzig jar. (Abdr. bei Tobler II, S. 15 und Liliencron Nr. 34). Mehr über diese beiden Lieder bei Liliencron und Tobler. —

Beide Heldenlieder feiern den Sieg der Eidgenossen über Leopold von Österreich bei Sempach am 9. Juli 1386. Die im 2. Lied erzählte Tat von Winkelried in der Schlacht bei Sempach ist nicht historische Tatsache für diese Schlacht. Winkelried kämpfte erst 1522 in der Schlacht bei Bicocca unfern Mailand und starb hier den Heldentod vor einer österreichischen Phalanx. In dieser Schlacht kämpften die Schweizer im Solde von Frankreich gegen die kaiserliche, päpstliche und österreichisch- spanische Armee in mutvollster Weise, erlitten aber eine furchtbare Niederlage.

 

"Die niederländschen Herren (Schlacht bei Sempach)" in diesen Liederbüchern

Dieses ältere, heraldische Lied, schadhaft überliefert, ist in ein anderes, 66 Str. langes episches Gedicht auf jene Schlacht unpassend verarbeitet. Letzteres wurde nach der in Zürich befindlichen Urschrift von Gilg. Tschudi’s Zeitbuch, 2. Theil, Bl. 76 gedruckt bei A. L. Follen, Harfengrüße, Zürich 1823, S. 167, und bei Ettmüller, Eidgenöss. Schlachtlieder 1843. Früher auf fl. Bll. idarunter eins von 1618, wahrscheinlich Basel bei Joh. Schröter, mit 65 Strophen), und in Iselin’s Ausgabe von Tschudi’s Chronik I, 529. Vergl. auch Rochholz, Eidgenöss. Lieder-Chronik, Bern 1835. S. 49. —