Eine faule Grille sang
Einen ganzen Sommer lang
Und war immer ohne Sorgen
Für den andern Morgen
Weil der Sommer Speisen hat
Wurde sie auch täglich satt
Aber als der Winter kam
Und der Flur das Leben nahm
Alles tot und öde stand
Und kein Würmchen mehr sich fand
Da trieb sie der Hunger hin
Zu der Ämse: – Nachbarin
Ich bin hungrig, gib mir doch
Ein klein wenig nur zu leben
Deine Kammer hat ja noch
Großen Vorrat; und ich will
Alles gern dir wieder geben
Mit den Zinsen im April
Schwesterchen, wie brachtest du
Deine Zeit im Sommer zu?
Sage mir, was tatest du?
Was ich tat? du weißt´s ja wohl
Ich, die Freundin vom Apoll
Sang beständig; hast du mich
Nicht vernommen? und konnt ich
Schwesterchen, was bessers tun?
Grillchen, nein! doch tanze nun!
Text: Ludwig Gleim (1757)
in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885)