Die Brünnlein, die da fliessen
die muss man trinken
und wer ein liebes Schätzel hat
der soll ihm winken, ja winken,
ja, winken mit den Augen
und treten auf den Fuss;
es ist ein harter Orden
wer sein lieb Schätzlein meiden muss
Die Wölklein, die da fliegen
die können wandern.
Ein wilder Knab‘ die eine lässt
und geht zur andern, zur andern.
Der Frühling bringt die Rosen
der Winter bringt den Schnee,
und feste Schwüre brechen
tut treuen Herzen gar so weh
Die Vöglein können singen
auf grünen Zweigen,
doch wer ein Lieb zu eigen hat
der soll’s verschweigen
Verschweigen, denn die Dornen
und Disteln stechen sehr,
doch böse Lästerzungen
die stechen noch weit mehr.
Die Sternlein, die da blinken
die soll man grüssen;
und einen schönen Frauenmund
den soll man küssen.
Der Mond geht in die Wolken
sobald der Tag erwacht;
doch lichte Frauenaugen
die leuchten lieblich Tag und Nacht.
Die Röslein, die da blühen
ich pflück‘ mir eine
und leg‘ sie in mein grünes Glas
das voll von Weine, von Weine;
drauf trink‘ ich, dass rot Röslein
mir die Lippen rühren muss;
wie das mein Herz erfreuet und heimlich
mahnt an Liebchens Kuss!
Text: Feodor von Löwe (vor 1875, dichterische Erweiterung der einen Strophe von 1524)
Musik: Karl Hirsch, 1895, für das Kommersbuch komponiert); weitere Vertonungen von Fritz Char, Phillip Gretscher (1912 ?) und Paul Mestrozi
in: Allgemeines Deutsches Kommersbuch (1896, S.272 f.)