Der Winter ist vergangen
ich seh des Maien Schein
Ich seh die Blümlein prangen
des ist mein Herz erfreut
So fern in jenem Tale
Da ist gar lustig sein
da singt die Nachtigalle
und manch Waldvögelein
Ich gehe, ein Mai zu hauen
Hin durch das grüne Gras
Schenk meinem Buhl die Traue,
Die mir die Liebste was
Und bitt, daß sie mag kommen
All an dem Fenster stahn
Empfang´n den Mai mit Blumen
Er ist gar wohl getan
Und als die Säuberliche
sein Reden hatt gehört
da stand sie Traurigliche
indeß sprach sie die Wort
Ich hab den Mai empfangen
mit großer Würdigkeit!“
Er küßt sie an die Wangen
war das nicht Ehrbarkeit?
Er nahm sie sonder Trauern
In seine Arme blank,
Der Wächter auf der Mauern,
Hub an ein Lied und sang:
Ist jemand noch darinnen,
Der mag bald heimwärts gahn!
Ich seh den Tag her dringen
Schon durch die Wolken klar.
Ach, Wächter auf der Mauern
Wie quälst du mich so hart!
Ich lieg in schweren Trauern,
Mein Herze leidet Schmerz.
Das macht die Allerliebste,
Von der ich scheiden muß,
Das klag ich Gott, dem Herrn,
Daß ich sie lassen muß.
Adieu, mein Allerliebste,
Adieu, schön Blümlein fein,
Adieu schön Rosenblume,
Es muß geschieden sein.
Bis daß ich wiederkomme,
Bleibst du die Liebste mein
Das Herz in meinem Leibe
Gehört ja allzeit dein.
Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 393b)
Der Text ist die Übersetzung des altniederländischen Liedes: „Het viel een hemelsdoue“ Urtext aus der Weimarer Handschrift vom Jahr 1537 bei Hoffmann von Fallersleben, Nr. 63, Str. 1 und 2 kommen in dem vorauf gehenden Liede vor. — Melodie in Thysius‘ Lautenbuch, Anfang des 17. Jahrhunderts, Ausgabe von Prof. Land, Abth. I, Nr. 16. Sie ähnelt der zu Wilhelmus van Nassouwen (Böhme)
Altniederländisches Volkslied aus dem 16. Jahrhundert , um 1539 überliefert
Musik: in dem Lautenbuch des Thysius , um 1600