Der Winter ist ein rechter Mann,
Kernfest und auf die Dauer;
Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
Und scheut nicht süß noch sauer.
War je ein Mann gesund wie er?
Er krankt und kränkelt nimmer,
Er trotzt der Kälte wie ein Bär
und schläft im kalten Zimmer.
Er zieht sein Hemd im freien an
und läßt´s vorher nicht wärmen
und spottet über Fluß im Zahn
und Grimmen in Gedärmen.
Aus Blumen und aus Vogelsang
weiß er sich nichts zu machen,
Haßt warmen Drang und warmen Klang
und alle warmen Sachen.
Doch wenn die Füchse bellen sehr,
wenn´s Holz im Ofen knittert,
und um den Ofen Knecht und Herr
die Hände reibt und zittert;
Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
und Teich und Seen krachen:
Das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
dann will er tot sich lachen.-
Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
Beim Nordpol an dem Strande;
Doch hat er auch ein Sommerhaus
im lieben Schweizerlande.
Da ist er denn bald dort, bald hier;
gut Regiment zu führen;
und wenn er durchzieht, stehen wir
und sehn ihn an und frieren
Text: Matthias Claudius (1782,
Musik: Johann Friedrich Reichardt (1797)
u.a. in — Deutsches Lautenlied (1914) —
Als Gedicht in „Asmus omnia sua secum portans oder sämtliche Werke des Wandsbecker Boten, 4. Th. 1782, S. 141. Die Melodie von Reichardt in „Lieder geselliger Freude“ 2. Abteilung 1797 Nr. 97. Auch im Mildheimer Liederbuch 1799 und seitdem lange gesungen. Angaben nach Böhme: „Volkstümliche Lieder der Deutschen“ (1895)