Ein Lämmlein trank vom Frischen
An einem kühlen Bach
Da kam aus den Gebüschen
Ein Wolf und schlich ihm nach
Gleich sprach er zu dem Lamme
Was Hab ich dir getan
Der Bach ist trüb vom Schlamme
Daß ich nicht saufen kann
Das Lamm gab gute Worte
Und sprach du treibst nur Scherz
Fließt nicht von deinem Orte
Der Strom herunterwärts
Der Wolf ward überwiesen
Doch fing er wieder an
Dein Vater hat vor diesem
Mir Unrecht angetan
Ich ward vergangnen Winter
An Ehren angetast´t
Doch kam ich bald dahinter
Daß du gelogen hast
Im Winter war´s verbrochen
ei Wolf wo denkst du hin
es sind ja erst vier Wochen
daß ich geboren bin
So deutlich überführte
Den Wolf des Lamms Bericht
Doch alles dieses rührte
Des Mörders Herze nicht
Er sprach mit starker Stimme
und sprach: Du hasts getan
Und finq darauf im Grimme
Das Lamm zu fressen an
Es treiben grosse Herren
Gar oft dergleichen Spiel
Die Unschuld mag sich sperren
So viel sie kann und will
Die Frommen gelten wenig
Die Armen leiden Not
Den Weinberg nahm der König
Und Naboth schlug man tot
Text: Miehl ? von dem Verfasser der Grasmücke (1784)
in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885) – Volkstümliche Lieder der Deutschen (1895)