Der Meister
Zum Werke, das wir ernst bereiten
Geziemt sich wohl ein ernstes Wort
Wir führten’s aus in großen Zeiten
Selbst ernster heut dünkt uns der Ort
In Wehmut ward es ausgesonnen
Beharrlich schon durch Kunst vollbracht
Was still und würdig wir begonnen
Tritt jetzt hervor aus trüber Nacht
Der Schreiber
Ob von schlechterem Metalle
Ob vom edlern, zweifeln Alle
Doch bedenken sie bei Zeiten
Soll’s den lieben Freund bedeuten
Hell wie Glöcklein muß es läuten
Muß wie er ein Führer seyn
Beim Gesang und edlen Wein
Denn da wo Kunst und Sinnbild adeln
Wird niedrer Sinn den Stoff nur tadeln
Dem todten ungeschätzten Stein
Haucht Künstlers Geist sein Leben ein
Aus niedrer Erd und schlichtem Ton
Baut Gottes Haus der Erdensohn
und selbst des Menschen göttlich Bild
ist Staub von Gottes Hauch erfüllt
Der Dichter
Uns soll der Becher Bundeszeichen
Von mächtigster Bedeutung sein
Tief zu den Schatten soll er reichen
Dann himmelhoch uns wieder freun
An hohen Ernst beim ird’schen Tische
Erinnre dieses Bechers Pracht
Und was uns lieb in Lebensfrische
Auch dess‘ wird bei ihm treu gedacht
Der Schreiber
Dass der Geist vom Himmel flamme
zeigen Genius und Flamme
und im Geist sind wir verbunden
Wie in froh vergangnen Stunden
Mit dem Freund der uns entschwunden
Gleich der Flamme nahm den Lauf
Auch sein Geist zum Himmel auf
Dort wohnet er im selgen Frieden
Und lebet fort im Ton hienieden
Doch Jeder fühlt was uns geraubt
Durch sein geliebtes teures Haupt
Wie rein ertönt des Bechers Klang
So lauter war sein Lebensgang
Integer vitae heißt der Ton
Den er uns ließ eh er entflohn
Der Beimeister
Nur wer uns reines Lebens dünket
Wer treu erfüllt Pflicht und Beruf
Nur der ist würdig dass er trinket
Bei unsers Freundes Becherruf
Nie zählt sich recht zu unsern Gåsten
Wer schamrot steht vor jenem Spruch
Und jeder Wirt sorgt selbst am besten
Nie zu entweihn das Gäste-Buch
Der Schreiber
Lautre Wahrheit heil’ge Scheu
Offne nie bestochne Treu
Ach wann werdet ihr’s erreichen
Je zu treffen seines Gleichen
Aber Freunde klaget nicht
Auch er fiel in heilger Pflicht
Hülfreich bot er seine Hand
Auch er starb für’s Vaterland
Junge Freiheit aufzuziehen
Mußten teure Seelen fliehen
Ja sie ward als teures Gut
Schwer erkauft mit edlem Blut
Der Schlüsselmeister
Drum sei Pokal der Freiheit Zeichen
Die wieder kehrt auf deutsche Flur
O mag sie nimmer uns entweichen
zu blutgefärbt war ihre Spur
Laßt im Gesetz die Freiheit walten
Den König licht im Herzverein
So wird sich Freiheit stark erhalten
Und dauernd trinkt ihr deutschen Wein
Der Schreiber
Friede soll die Völker söhnen
Einigkeit die Fürsten krönen
Einfachheit in deutschen Sitten
Wohnen in Palast und Hütten
Und im trauten Liederkreise
Laßt uns fröhlich sein und weise
Was wir redlich angefangen
Soll bei Enkeln Ziel erlangen
Liebe soll auch sie umschlingen
Ihnen unsre Freuden bringen
Wie uns Einigkeit umschlingt
Wenn des Freundes Becher klingt
Der Tafelmeister
Denn schnell verstummt das Teller Rauschen
Zu heil ger Still ruft Glockenklang
Dem Sänger ziemt’s getreu zu lauschen
Daß Eintracht schmückt den Hochgesang
All irrdisch Tun wird jezt vergessen
nd Horcher staunen wie versteint
Veredelt scheint uns Trank und Essen
Wo Einklang Herz mit Herz vereint
Der Schreiber
Und sind wir so durch Sang erhöht
Dann wird zu Freundes Angedenken
Der Becher der beim Meister steht
Gar oft Erinn’rung rückwärts lenken
Und dient aus tief empfund’nem Grunde
Zum sinn’gen Zeichen unserm Bunde
Und da wo dieser Becher wird geleert
Ist unsrer Liedertafel heil’ger Herd
Denn uns heißt Liedertafel nur da
Wo man den Becher in Mitten sah
Der Weihende
Nun all ihr Freunde könnt ihr’s klärlich wissen
In Bechers Tiefen ruht sein höchster Wert
Nie kann der Mensch das äuß’re Zeichen missen
Denn ach zu schnell wird ird’scher Sinn verkehrt
Von Gott und Welt erscheint uns losgerissen
Wer heil’ger Weihung Feier kalt entbehrt
Im Zeitenstrom hat Dauer stets gefunden
Wo geistig Wort dem Zeichen ward verbunden
Der Schreiber
Darum nehmt den deutschen Wein
Gießt ihn in den Becher ein
Den wir heut dem Freunde weihn
Flemming soll sein Name seyn
Geist dem Himmel heim gegeben
Eintracht, Freiheit, reines Leben
Klingt in deines Bechers Namen
Freunde, Gott wird’s fördern. Amen!
Kleine Pause. Der Meister den Becher rasch ergreifend
So nehmt den Becher jetzt zur Rechten
Schwingt hoch die Gläser himmelauf
Und reicht ihn künftigen Geschlechten
Nie stirbt sein Wert im Zeiten Lauf
Was treues Herz je ausgesonnen
Was Kunst beharrlich schön vollbracht
Das wandelt frei zum Licht der Sonnen
Und nimmer sinkt’s in Todesnacht
Was zur Feier jenes Tages noch weiter geschehen, kann hier mit Stillschweigen übergangen werden, da der Haupt-Absicht, in dieser Einleitung den Geist der Liedertafel und den Standpunkt, aus welchem die nun folgenden Lieder zu betrachten sind, näher zu bezeichnen, mit dem Bisherigen ein Genüge geschehen ist.
Text: Verfasser unbekannt, Einleitung der Liedertafel, 7. Dezember 1813. Die ersten beiden Zeilen zitieren Schillers Lied von der Glocke von 1799.