Aus hertem Weh klagt sich ein Held
in strenger Hut verborgen
Ich wünsch ihr Heil, die mir gefällt
komm schier lös‘ mich aus Sorgen!
O weiblich Bild, wie schläfst so lang
willst sehnlich Klag nicht hören
Laß dich erwecken mein Gesang
schick dich zu Liebes-Anefang
dein Lieb will mich betören
Ein freier Wächter hört die Mär
Lag still an einer Zinnen
Es fragt wer hie verborgen wär
tät uns das Liedlein singen:
„O kühner Held willst mir vertraun
Die Klag will ich dir wenden
Sehnst dich so hart nach meiner Frau’n?
Ohn Zweifel sollt du auf mich baun.
Freundlich will ich sie aufwecken
Mein Trauen ganzlich zu dir setz,
Wächter, ein freier Gselle
Mein Kleide laß ich dir zu Letz,
Mach uns kein Ungefälle!
Geh heimlich dar, nimm dir der Weil,
Daß dich mein Gespan nicht merken,
Die Diener seind ein weichel Theil,
Sieh, daß dich keiner übereil.
Zu Hoffnung tu mich stärken.‘
Wacht auf, herzallerliebste Frau
Hört jämmerlichen Schmerzen
Es liegt ein Held in grüner Au
Fürwahr ich tu nicht scherzen
Legt an nur Wat, besorgt euch nicht.
Euch soll nicht(s) widerfahren!
Habt eben Acht auf sein Gedicht
Wie hart ihn eure Lieb anficht.
Eur Ehr tut selbs bewahren!
Der Wächter ruft zum drittenmal
Tät ihm die rechte Zeit do nennen;
Er nahent zu des Herren Saal
Dabei man sollt erkennen.
Daß er ihr steter Diener war
Wöllt Bulschaft mit ihr pflegen:
.Ach Wächter erst hör gute Mär!
An deiner Red merk ich kein Gfähr
Bewahr still uns nun vor Schlägen!“
„Wächter, mein Herz hast mir erfreut,
Thu’s fröhlich mit mir wagen!
Sag meinem Held den rechten Bscheid
Nach Ehren thu ich nit fragen
Geh heimlich dar wol mit mir der
Ob einer sich wöllt melden,
Steh still bei mir woh an der Wart,
Wann (dem) alls mein Hoffen ich zu dir Hab,
Du sollt fein nit entgelten“
Die Frau den Held gar schon empfing
Küßt in an seinem Munde,
Zu rechter Lieb er mit ihr ging.
Macht ihr viel Freud und Wunne
Der Wächter sprach : Nun lieget still
Tut euch ohn Sorgen rühren!
Fürwahr ich euch des Tages Ziel
In rechter Früh ich melden will
Ich will euch nit verführen.“
Sie lagen lang in großem Lust
Ihr rechte Lieb thät sich mehren
Er griff ihr lieblich an die Brust:
„Schöns Lieb, tut dich zu mir kehren!
Ich weiß nit, wenn der Wächter schreit
Wir zwei wir müssen scheiden!
Das Fräulein sprach wohl zu der Zeil,
„O weh meins Herzens ein großes Leid
Wie soll ichs überwinden!“
Der Wächter sach am Firmament
Daß sich die Nacht tät enden:
Ein starker Wind vom Orient
Tut uns den Tag her senden
Die Hahnen schreien auf der Heid
Die Hündlein die tunt jagen
Frau Nachtigall sitzt auf grünem Zweig
Singt uns ein süße Melodei:
Wohlauf, es will nun tagen!“
Sie küßt ihn lieblich an sein Mund
Und tät sich von ihm scheiden:
Schöns Lieb, du hast mir das verkünd
In Schwarz wöllst du dich kleiden.
Schwarz ist das große Herzenleid
Und bedeutet Stetigkeit.
Gesegn dich Gott, Herzlieb, behend!
Ich fahr dahin in das Elend
Irr Grau will ich mich kleiden.“
Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 807, „Der treue Wächter“)
Melodie bei Rotenbucher, Bergkreyen 1551. Nr. 25
siehe auch die geistliche Nachdichtung
Text aus Cl. Bretano’s Liederhdschr. (Anfang des 16. Jahrh.) Cod. cart. saec. XVI, fol. 76 (früher in von Meusebachs Sammlung, jetzt K. Bibl. Berlin)
Längerer Text von 12 Str. bei Forster III, 1549, Nr. 13. (Abgedruckt im Wunderhorn. I, 391(n. A. I, 384. Birlinger’s Ausg. I, 284), wozu Goethe sagt: „Macht hier zu großen Kontrast: denn es gehört zu der tiefen, wunderlichen, deutschen Balladenart.“
Die Mel. in Rotenbuchcr’s Bergkreven 1551, Nr, 25 (zur geistl. Umdichtung) ist die bessere Lesart, als durch Dehnung entstellte bei Forster.