An eines Bächleins Ufer stand
ein Bäumchen schlank und kraus
Hier kor am weichbemoosten Rand
ein Hirt sein Plätzchen aus
Im Blattgesäusel mild und kühl
umweht´ ihn süße Ruh
Und freundlich nickt im Wellenspiel
des Bäumchens Bild ihm zu.
Doch ach! Vom Hochgebirge quoll
des Wassers trübe Flut
und auch im Tale braust´ und schwoll
hoch auf des Bächleins Wut
Das arme Bäumchen bebte sehr
und schwankte auf und ab
Das Bächlein aber wild umher
dem Bäumchen wühlt´ ein Grab
Und als die Wasserflut verschwand
da kam der Hirt heran
Und ach! Sein armes Bäumchen fand
und blickt´ es traurig an
Und zog das Bäumchen sanft hinaus
und hob es rasch empor
Da stand das Bäumchen schlank und kraus
und schattig wie zuvor
Und horch! vom Bäumchen wundersam
erscholl ein süß Getön
Das Bächlein strahlte sieh’´ es kam
ein Jüngling wunderschön
Er stieg empor aus heller Flut
und sprach mit sanftem Ton
„Du warest liebevoll und gut
dein Wunsch sei auch dein Lohn!“
„Nein,“ rief der fromme Hirt, „nicht Dank
noch Lohn gebühret mir
Sieh´, unser Nachbar ist so krank
für ihn, ach, fleh´ ich dir!“
„Er soll genesen!“ sprach darauf
des Engels holder Mund.
Da kam der Hirt in frohem Lauf
der Nachbar war gesund
Text: Friedrich Wilhelm Krummacher (1796-1868)
Musik: August Harder (1775-1813)
in “ Schulgesangbuch für höhere Lehranstalten „