Vögelchen auf der Weide

Vögelchen auf der Weide
spinnt so klare Seide
also klare sieben Jahre
sieben Jahre sind rum
´s Mariechen dreht sich rum
´s Mariechen hat sich rumgedreht
hat´s Hinnerste zu Vorderste gedreht

Gespielt wird dies hübsche Liedchen wie der vorige in seinen Einzelheiten dunkle Reim, dessen Urbild es wahrscheinlich ist. Es ist aber gewiß selbst nur ein Stück eines größeren Spielliedes, das z. B. in der Schweiz also lautet:

’s Sünneli schint
’s Vögeli grint
’s hocket unter’m Lädeli
’s spinnt e Sidefädeli
’s spinnt en lange Fade,
er langet bis zo Bade
vo Züri bis af Hanestei
vo Hauestei bis wiederum hei.
Z‘ Rom ist es guldigs Hüs
lueget drei Marein drüs.
Die eint spinnt Side,
die andere Floride
die dritt schnätzlet Chride
(— windet Falschheit und Streit) u. s. w.

Die drei Jungfrauen, welche den rings die Heimat umschlingenden Faden spinnen, sind ursprünglich die altnordischen Nornen Urd, Werdandi, Skuld (= Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), die dem Menschen bei seiner Geburt den Schicksalsfaden spannen. Eine Spur des Liedes von den drei Schicksalsspinnerinnen hat
sich auch zu Kassel erhalten in dem Liede „Bim bam Glöckchen da oben steht ein Stöckchen“

Reigen aus Kassel , bei Eskuche in Kasseler Kinderliedchen (1891, Nr. 195) , ein arg entstelltes Fragment in Des Knaben Wunderhorn ( 1808, III, Anh. 89); Berichtigung dazu in Klammer (Böhme)

Vöglein auf der Wiege (Wiede)
singt (spinnt) so klare Züge (Siede)
also klar, sieben Jahr
sieben Jahr herum

( Weide = Weidenbaum , Wiede (salix ))

Anmerkungen nach Deutsches Kinderlied und Kinderspiel (1897)


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