So höret nun vom guten Lieschen
Die traurige Geschicht,
Dem seine Lust am süßen Kuchen
Blies aus das Lebenslicht
´s war Ostern, und die frischen Kuchen
Bracht man vom Bäcker in das Haus
Wie wohl und wunderbar sie duften
So goldenbraun zum Festtagsschmaus
Rosinen, Butter, Zucker, Mandeln
Gespart hat man darannen nicht
Und jeder kommt sie zu umwandeln
Im Ostersamstagsonnenlicht
Wenn’s schwarze Brot mal steht zur Seiten
Tagtäglich ist man´s ja gewöhnt
Doch süßen Kuchen hat man selten
Das Lieschen war auch nicht verwöhnt
Es bettelt: Mutter, laß mich kosten
Ein wenig nur vom Festgericht
Die Mutter sagt: Nein, meine Tochter
Solch frischen Kuchen ißt man nicht
Lieschen hört nicht auf Mutters Worte
Es denkt: Laß reden nur das alte Weib!
Da kommt der Teufel zu dem Orte
Und jagt ihr Schmerzen in den Leib!
Ganz arge Schmerzen! Und nicht lange
Da wird das Lieschen bleich und kalt
Es windet sich in Angst und Bange
Liegt auf der Totenbahre bald
Das war im Jahre achtzehn-siebzig-sieben,
Wo in der Ostersamstagsnacht
Der frische süße Festtagskuchen
Dies junge Leben umgebracht
Text: Verfasser unbekannt – Handschriftlich aus Süddeutschland
Titel: Die Ballade vom frischen Kuchen oder Lieschen laß dir raten
in Krokodilstränen (1970)