Als Ihr in euerm finstern Hasse
das drohende Gesetz erdacht
daß uns zu Deutschen zweiter Klasse
mit einem Federstrich gemacht
da ward gefühlt und eingesehen
von Allen ohne Unterschied
„Wir können hier nur widerstehen
in Reih und Glied!“
Wir liessen schweigend uns verdammen
verstoßen uns vom Vaterland
und schweigend rückten wir zusammen
bis Schulter man an Schulter stand
an Spree und Belt, am Rhein, in Sachsen
erklang der Gegner Unkenlied
wir fühlten Allem uns gewachsen
in Reih und Glied
Und als nach bangen, schwülen Wochen
in denen keiner feig gebebt
das finst´re Wetter losgebrochen
das drohend über uns geschwebt
als laue Freunde ab sich wandten
und die Geächteten man mied
da haben mannhaft wir gestanden
in Reih und Glied
Es ist kein Kinderspiel gewesen
ja, oftmals seelische Tortur
und staunend wird der Enkel lesen
was seinen Ahnen widerfuhr
Doch sagen ihm vergilbte Blätter
sie wußten nichts mehr, was sie schied
Sie standen fest in Sturm und Wetter
in Reih und Glied
Wie weit wir spähten in der Runde
es waren Feinde, was wir sah´n
Gewalt hat, mit der List im Bunde
an uns ihr Äußerstes getan
So mancher sank zu unserm Trauern
der nie den Tag des Sieges sieht
Wir aber standen wie die Mauern
in Reih und Glied
Nie hat ein augenblicklich Schwanken
die feste Ordnung übermannt
Wir haben einen Glutgedanken
und eine Hoffnung nur gekannt
Der Tränen viele sind geflossen
doch nun das Wetter sich verzieht
sieht staunend uns die Welt geschlossen
in Reih und Glied
So unser Haß, wie unser Lieben
das an den höchsten Zielen hing
sie sind, ein Fels im Meer, geblieben
und nur der Kanzler war´s , der ging
Sein Fürstenmantel ward den Motten
zum unbestrittenen Gebiet
nur wir, wir stehn in starren Rotten
in Reih und Glied
Nach solchen unerhörten Siegen
errungen über Macht und List
mag sich ein Tor im Wahne wiegen
es kommen nun der inn´re Zwist
Wann ward zum ausgemachten Narren
der Mann , der auf dem Gegner kniet
Wir werden, was nun kommt, erharren
in Reih und Glied!
Text: Rudolf Lavant – am 1. Oktober 1890, nach dem Ende der Sozialistengesetze
ohne Melodie in Max Kegel : Sozialdemokratisches Liederbuch von 1896 , S. 117