Ach höchster Gott ins Himmels Saal

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Ach, höchster Gott in ´s Himmels Saal
Erhör einmal im Jammertal
Das Wehklagen der Armen!
Hilf deiner armen Christenheit
Leg ab den großen Krieg und Streit
Laß dich´s einmal erbarmen!
Ach, mein Gott! wie viel Christenblut
Ist schon worden vergossen
Darab der Himmel trauren thut
Erschlagen und erschossen!
Wann du nicht hilfst, Herr Jesu Christ
Und machest Fried auf dieser Erd
Des Menschen Hülf verloren ist.

Es ist nun Jedermann bekannt;
Das Ländlein Ob der Enns genannt
Das ward gar hart bezwungen;
Setzt ihn’n München und Pfaffen ein
Und sollten gut katholisch sein
Ja, beides Alt und Jungen
Zwingt man zu dieser Religion
Wie man allhie thut sagen
In der Stadt Ulm — merket nun! —
Die Schiffleut es fürtragen
Den ganzen wahrhaftigen Grund
So hie im Druck ausgangen ist
Darvon ich singen will jetzund.

Als nun das Volk in d’Kirchen gieng
Zu predigen der Pfaff anfieng
Und sprach mit Worten eben:
»Ihr Bauren, merket, jung und alt!
Wollt ihr euch nicht bekehren bald
Zu diesem Glauben b’geben:
Man wird ihr Viel mit großer Pein
Die Augen hie ausstechen
Ja, wer nicht will katholisch sein
An den wird maNsich rächen
Die Nas und Ohren schneiden ab
Damit man kenn der Ketzer Schaar
Und einen Scheuen an ihn’n hab

Weiter so wird man Mann und Weib
Das Herz auch reißen aus dem Leib
Und um das Maul herschlagen;
Wer glauben thut an ’s Luthers Lehr
In vielen Landen weit und ferr
Wird man sie also plagen“
Darum die Bauren mit Gewalt
Den Pfaffen überfallen
Zu Tod ihn habn geschlagen bald
mit großer Macht und Prallen
Darnach die Bauren all zugleich
Zusammen habn geschworen bald
Daß keiner von dem andern weich

Beisammen lassen Leib und Blut
Und fassen einen frischen Mut
Um Gottes Wort zu streiten
Sich wehren auf den letzten Mann;
Weil es nicht änderst mehr sein kann
So wollen sie nicht beiten
Darauf ‚Fürtingen g’nummen ein
Und Bäurbach auch darneben
Zweihundert Landsknecht darin sein;
Die mußten sich ergeben
Doch habn sie anzündt und verbrannt
Das Städtlein in eim Augenblick
Die Bauren aber mit Verstand

Bei Fünfzig habn erschlagen nun
So sich in d’Kirch verstecken thun
Zu Linz nun der Statthalter Bald
Soliches erfahren hett
Deswegen sich aufmachen fhet
Als ein strenger Verwalter
Nämlich mit tausend Mann
Zu Roß und Fuß thet kommen
Die Bauren thet er greifen an;
Die Büchsen hört man brummen
Die Bauren aber listiglich
Am ersten sich verborgen hon;
Darnach der ganze Häuf hersc’hlich

Und machten dem Statthalter bang
Zubleiben kunnt er nimmer lang
Ist auf das dritt Pferd kommen
Und endlich gar gerissen aus,
Sein Volk gelassen in dem Strauß;
Groß Schaden hat genommen
Verloren auf fünfhundert Mann
Und, wann er nicht thet weichen
Ihr Keiner war verblieben dran
Die Bauren ihn’n nachschleichen
Darauf Aschau genommen ein
Thun aber Niemand sonst kein Leid
Schiffleut von Ulm auch da sein.

Die zehrten eben zu Mittag
Und preisten Gott mit wahrer Sag;
Schön Psalmen theten sie singen
Sobald die Bauren das verstohn
Groß Freud sie ab den Leuten hon
Und sprachen zu den Dingen:
„Wann man in unser Land und Stadt
Uns bei der Lehr ließ bleiben
So würden wir von Hunger satt;
Kein Noth sollt uns vertreiben
Dieweil es aber nicht sein kann“ —
Sie kommen um all Hab und Gut —
„So wagen wir das Leben dran“.

Deswegen sind sie frisch und keck
Und aus dein Städtlein zogen weg
Mit Spießen und mit Stangen
Mit Gablen, Prügel, Büchsen gut
Was man zum Kriegen brauchen thut
Zum Streit stund ihr Verlangen.
Gar gute Schildwacht halten thun.
Aber das thut ihn’n fehlen,
Daß sie noch keinen Obersten hon
Nach dem sie dann sehr stellen.
Auch über Donau schreibt man fein,
Daß vierzehntausend Bauren
Auch in dem Harnisch sollen sein.

Weiter so thut man schreiben nun
Was die Schiffleut gehöret hon
Ein gar klägliches Wunder
Zu Frankenburg in dem Gottshaus
Hört man drei Tag mit großem Graus
Ein Stimm schreien besunder:
„Weh immer Weh l Weh über Weh l“
Die Orglen hört man schlagen
Gar schöne Psalmen — wohl versteh! —
Ach Gott, laß dir es klagen!
Hilf du in der betrübten Zeit,
Gib uns allhie dein heiligs Wort
Darnach die ewig Seligkeit!

Text: Verfasser unbekannt 1626
Musik: O höchster Gott in Himmels Saal

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Liederzeit: vor 1626 : Zeitraum:
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"Ach höchster Gott ins Himmels Saal" in diesen Liederbüchern

Nach einem alten Druck (Augsburg, Stadtbibliothek): „Warhafftige Relation vnd Grundlicher Bericht was sich in massen zwischen den Rebellischen Bawren im Ländlein ob der Enß verloffen . . . Gedruckt zu Ulm bey Jonaß Säur, Im0 Jahr 1626″ (2 Bl 4»): Hartmann, Histor. I Nr. 38 S. 179 ff.

Dieses Lied ist dadurch von besonderem Interesse, als es von der Freundschaft der aufständischen Bauern mit den Ulmer Schiffsleuten, den Donauschiffern, berichtet und dieser Freundschaft zwischen Bauern und Arbeitern überhaupt seine Entstehung verdankt. Wie in Str. 7—8 gesagt, treffen die Bauern bei der Einnahme von Aschach (Aschau) an der Donau dort Ulmer Schiffsleute, „die zehrten eben zu Mittag“. Die Bauern freunden sich sogleich mit den Schiffsleuten, die gleichfalls protestantisch sind, an. Desweqen sind sie (die Bauern) „frisch und keck“ — das heißt doch wohl, daß sie sich durch diese Begegnung mit den Schiffsleuten in ihrem Kampfbewußtsein gestärkt fühlen. Möglicherweise haben ihnen die Schiffer auch Ratschläge für eine diszipliniertere Krieg-führung gegeben, … Die nach Ulm heimgekehrten Schiffsleute erzählten dort  den wahren Grund des Aufstandes der Ennser Bauern, was dann den Anlaß zur Entstehung des Liedes gab (Str. 2).

Anmerkungen (unter Benutzung von Hartmanns Angaben).
beitem = warten, zögern. — Peuerbach (am 19. Mai 1626 von den Bauern eingenommen) –  Die Ulmer Schiffsleute wußten von ihrer Begegnung mit den Bauern in Aschach, daß diese damals noch keinen Obersten hatten, und kritisieren im Lied mit Recht die undisziplinierte Art der Kriegführung durch die Bauern. Kurz darauf wählten die Bauern Stephan Fadinger zum Oberhauptmann für das Hausruck- und Traunviertel — auf den Rat der Schiffsleute hin?