Abend wird´s, des Tages Stimmen schweigen
röter strahlt der Sonne letztes Glühn
und hier sitz ich unter euren Zweigen
und das Herz ist mir so voll, so kühn
Alter Zeiten alte treue Zeugen
schmückt euch doch des Lebens frisches Grün
und der Vorwelt kräftige Gestalten
sind uns noch in eurer Pracht erhalten
Viel des Edlen hat die Zeit zertrümmert
viel des Schönen starb den frühen Tod
durch die reichen Blätterkränze schimmert
seinen Abschied dort das Abendrot
Doch, um das Verhängnis unbekümmert
hat vergebens euch die Zeit bedroht
und es ruft mir aus dem Zweige Wehen
alles Große muß im Tod bestehen
Und ihr habt bestanden! Unter allen
grünt ihr frisch und kühn mit starkem Mut
Wohl kein Pilger wird vorüber wallen
der in eurem Schatten nicht geruht
Und wenn herbstlich eure Blätter fallen
tot auch sind sie euch ein köstlich Gut
denn verwesend werden eure Kinder
eurer nächsten Frühlingspracht Begründer
Schönes Bild von alter deutscher Treue
wie sie bessre Zeiten angeschaut
wo in freudig kühner Todesweihe
Bürger ihre Staaten fest gebaut
Ach, was hilft´s, daß ich den Schmerz erneue
sind doch alle diesem Schmerz vertraut
Deutsches Volk, du herrlichstes von allen
deine Eichen stehn, du bist gefallen
Text: Theodor Körner – 1810 – Unter dem Titel: „Die Eichen“
Musik: Karl Follen – auch Carl Maria von Weber (Allgemeines Deutsches Liederlexikon, 1844)
in Allgemeines Deutsches Kommersbuch (1858, unter Vaterlands- und Heimatlieder, als Nr. 1)