Es ritt ein Herr zum kühlen Wein
verspielt sein einziges Söhnelein
Und wie er nun nach Hause kam,
sein einziger Sohn ihm entgegen kam
Ach Vater, lieber Vater mein,
was bringt ihr mit vom kühlen Wein?
Ich bring‘ dir mit ein neues Ross
darauf du noch nie geritten hast
Reit hin, reit hin zur Nätherin
Und lass dir machen ein Hemdelein
Und laß dirs machen wohl in die Weite,
dass du darinnen kannst schreiten
Und lass dirs machen wohl in die Länge,
dass du darinnen kannst hängen
Und als der Sohn nach Hause kam,
der ganze Hof voll Reiter war
Es mocht ihn keiner greifen an,
sein falscher Vater griff ihn selber an
Es mocht ihn keiner führen hinaus,
sein falscher Vater führt ihn selber hinaus
Wie weit schritt ihm die Mutter nach?
Sie schritt bis hinter die Pforte nach
Wie weit schritt ihm die Schwester nach?
Sie schritt bis hinter das Galgengericht
Ach Herren, edle Herren mein,
gebt mir mein einziges Brüderlein
Und deinen Bruder den kriegst du nicht,
er muss jetzt hangen am Galgengericht
Und wenn du dich ziehst nackend aus
Und dreimal um den Galgen laufst
Und wie das letzte Wort geschah,
die Kleider schon alle unten war’n
Und wie sie´s erstemal rum kam,
da fingen alle Frauen zu weinen an
Und wie sie´s zweitemal rum kam,
da fingen alle Herren zu weinen an.
Und wie sie´s letztemal ‚rum kam,
da hießen sie sie stille stahn
Schließt ab, schließt ab das Kettenband,
und lasst den Knaben wieder in das Land
Da kam ein grober Edelmann,
der wollte meine Schwester han
Meine Schwester die kriegst du nicht,
sie hat mich erlöset vom Galgengericht
Text und Musik: Verfasser unbekannt –
Vermutlich sehr alte Geschichte über einen Vater, der den Sohn beim Würfelspiel „verspielt“.
in Schlesische Volkslieder (1842)
Andere Textfassung
Anmerkungen:
Textvarianten:
16 Und eh die Herren das Wort aussprach / Die Kleider alle schon unten lagn —
17.2 Da lachten alle Bürgersmann —
19.2 Der Bruder ihr schon entgegenkam
Ein anderer Text bei Meinert 40-42 der 435 dazu bemerkt:
„Eine entgegengesetzte Überlieferung die ich später kennen lernte, weiß nur von einem Sohne, dem Jüngsten, den der Vater, nach der bereits von Tacitus gerügten Unsitte der Deutschen beim Weine verspielt, die Schwester aber mit verschämter Aufopferung vom Galgen erlöst. Er übernimmt hierauf Haus und Hof, von dem die unnatürlichen Eltern vertrieben werden und weigert die Hand seiner Erlösern einem Edelmanne, der um sie anhält.
Das wäre also der aus dem Guhrauischen stammende, von uns mitgetheilte Text, mit welchem der Breslauer bis auf Kleinigkeiten übereinstimmt z B im Anfange:
Er verspielte es zum Hängen
Sein jüngstes Söhnelein muß hängen
Ich bring dir mit einen neuen Hirsch
Den du noch nicht geritten hast
und nachher
Ach Schwester liebe Schwester mein
Lauf du doch dreimal nackend um den Ring
Du erlösest mich vom goldnen Gericht
Die vier Schlußverse des Breslauer und Bienowitzer Texte deuten auf den von Meinert angegebenen Ausgang der Geschichte:
Da kam ein grober Edelmann / Der wollte meine Schwester han
Meine Schwester die kriegst du nicht / Sie hat mich erlöset vom Galgengericht
Vgl Grimm´s Rechtsalterthümer S. 27